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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Galerie, sogar das Uhrgehäuse,
versuchte er Marmorgeäder nachzuahmen, um dem Hauptaltar neues
Ansehen zu verleihen. Mit wachsendem Mut bemalte er ihn vollkommen.
Prächtig war der Hochaltar in Weiß, Gelb und Blau. Leute, die seit
fünfzig Jahren keiner Messe beigewohnt hatten, kamen in Scharen, um
ihn zu betrachten.
    Die Farben waren jetzt getrocknet. Nur die Felder mußte der Abbé
Mouret noch dünn mit Braun einfassen. An diese Arbeit machte er
sich am Nachmittag, um abends mit allem fertig zu sein, der
folgende Tag war ein hoher Feiertag, wie er es zur Teusin bemerkt
hatte. Diese wartete darauf, dem Altar sein Staatskleid umzutun;
Leuchter und Silberkreuz waren schon auf dem Nebentisch bereit, die
Porzellanvasen mit künstlichen Rosen und die beste Spitzendecke.
Die Einfassung aber erwies sich als schwierige Arbeit, bis zum
Abend gab sie zu tun. Beim letzten Tagesschein beendete er die
Umrandung.
    »Es wird viel zu schön,« sagte eine rauhe Stimme aus dem grauen
Dämmerschleier, der die Kirche einzuhüllen begann.
    Die Teusin schrak zusammen, sie hatte sich hingekniet, um
leichter den Weg des Pinsels am Lineal entlang verfolgen zu
können.
    »Ach, Sie sind es, Bruder Archangias,« sagte sie, den Kopf
wendend; »Sie sind wohl durch die Sakristei hereingekommen?…
 Das Blut ist mir in den Adern geronnen.
Ich dachte, die Stimme käme aus dem Boden.«
    Nachdem der Abbé Mouret den Bruder durch leichtes Kopfneigen
gegrüßt hatte, arbeitete er weiter. Der Bruder blieb stehen, sagte
nichts und verschränkte die großen Hände über der Sutane. Dann
wiederholte er, nachdem er die Achseln gezuckt hatte über die
Vorsicht, mit der der Priester die Linien gerade zog:
    »Es wird viel zu schön.«
    Die in Bewunderung versunkene Teuse fuhr ein zweites Mal
zusammen.
    »Du meine Güte, ich hatte schon ganz vergessen, daß Sie da sind!
Sie könnten wenigstens husten vor dem Reden. Eine Stimme haben Sie,
die unvermittelt anfängt, wie wenn Tote reden.«
    Sie trat bewundernd zurück.
    »Wieso viel zu schön?« fragte sie. »Nichts ist zu schön, wenn es
sich um den lieben Gott handelt… Gehen Sie – hätte der Herr Pfarrer
Gold gehabt, Gold hätte er genommen!«
    Da der Priester fertig war, beeilte sie sich, das Tuch zu
wechseln, sie bemühte sich, dabei die Einfassung nicht zu
verwischen. Dann ordnete sie symmetrisch Kreuz, Leuchter und Vasen.
Der Abbé Mouret hatte sich neben Bruder Archangias an die Holzrampe
gelehnt, die Chor und Schiff trennte. Sie wechselten kein Wort.
Sahen nach dem Silberkreuz, das inmitten der sich vertiefenden
Dämmerung noch hell aufleuchtete, an Füßen, der linken Flanke und
rechten Schläfe des Gekreuzigten. Als die Teusin fertig war, kam
sie triumphierend an:
    »Hübsch, nicht wahr? Staunen werden Sie darüber, wie viele Menschen morgen zur Messe kommen werden!
Diese Heidenbrut kommt nur zu einem reichen Gott… Jetzt, Herr
Pfarrer, müssen Sie auch den Altar der Jungfrau genau so schön
machen.«
    »Verlorene Mühe,« murrte Bruder Archangias.
    Die Teusin ereiferte sich. Und als der Abbé Mouret stumm blieb,
stieß sie die beiden, zerrte sie an den Sutanen vor den Altar der
Jungfrau.
    »Sehen Sie doch! Ein zu großer Unterschied ist das, jetzt, wo
der Hochaltar so gut imstande ist. Man sieht überhaupt nichts mehr
von Malerei: wenn ich zehnmal dran herumreibe des Morgens, der
Staub klebt am Holz. Schwarz und garstig sieht es aus. Sie können
sich doch denken, was man sagen wird? Sagen wird man, Sie machen
sich nichts aus der heiligen Jungfrau, ganz einfach.«
    »Und wenn schon,« sagte Bruder Archangias.
    Der Teusin verschlug es den Atem.
    »Und wenn… « flüsterte sie, »das wäre doch beim Himmel eine
Sünde!… Der Altar sieht aus wie eins der verwahrlosten Gräber auf
dem Kirchhof. Wenn ich nicht sorgte, hingen die Spinnen ihre Netze
dort auf und Moos wüchse. Von Zeit zu Zeit, wenn ich einen Strauß
auf die Seite bringen kann, bringe ich ihn der Jungfrau… Früher
gehörten ihr alle Blumen.«
    Sie war die Stufe zum Altar hinaufgestiegen und hatte zwei
vertrocknete Sträuße ergriffen, die vergessen herumlagen.
    »Sehen Sie wohl, wie auf einem Kirchhof,« wiederholte sie und
warf sie dem Abbé Mouret vor die Füße.
    Dieser nahm sie wortlos auf. Es war völlig Nacht
geworden. Bruder Archangias stolperte über
Stühle und fiel fast hin. Er fluchte und stieß Sätze durch die
Zähne, in denen die Namen Jesu und Mariens vorkamen. Als die Teusin
mit einer Lampe in die Kirche zurückkam,

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