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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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achtzig Jahre trat der
Alte so fest auf, daß seine groben benagelten Schuhe Funken
schlugen aus den Straßenkieseln. Baumgerade kam er daher, ohne sich
seines Stockes zu bedienen, den er wie ein Gewehr schulterte.
    »Oh, der Verfluchte,« stieß der Bruder
hervor, der wie festgebannt stand. »Der Teufel läßt ihm die Hölle
unter den Tritten hervorsprühen.«
    Der verwirrte Priester verzweifelte daran, den Bruder von der
Stelle zu bringen; so drehte er ihm den Rücken, um weiterzugehen,
in der Hoffnung, Jeanbernat noch zu entgehen, wenn er sich beeilte,
in das Haus der Familie Bambousse zu kommen. Aber er hatte noch
keine fünf Schritte getan, da klang ihm die spottende Stimme des
Alten dicht im Rücken.
    »Na, warten Sie doch, Pfarrer. Haben Sie Angst vor mir?«
    Und als der Abbé Mouret stehenblieb, trat er auf ihn zu und fuhr
fort: »Den Teufel auch, bequem ist die Sutane nicht, sie hindert am
Laufen. Und dann erkennt man sie in der Nacht von weitem
schon … Oben auf der Höhe hab' ich mir gesagt: ›Sieh einer, da
hätten wir den kleinen Pfarrer.‹ O meine Augen sind noch scharf!…
Sie wollen also gar nicht mehr zu uns kommen?«
    »Ich bin sehr beschäftigt gewesen,« flüsterte der tief erblaßte
Priester.
    »Gut, gut. Jedem steht frei zu handeln, wie er mag; man soll
niemand zu nichts zwingen. Wenn ich davon anfange, ist's nur, um
Ihnen zu zeigen, daß ich nicht mehr daran denke, daß Sie Pfarrer
sind. Ich lasse Sie sogar mit Ihrem lieben Gott in Ruhe,
meinetwegen … Die Kleine meint, ich hindere Sie am Kommen. Da
Hab' ich ihr gesagt: ›Der Pfarrer ist ein Blödian.‹ Das ist auch
meine Ansicht. Hab' ich Sie etwa gebissen während Ihrer Krankheit?
Nicht einmal zu einem Besuch bin ich heraufgekommen!«
    Er redete mit ruhigem Gleichmut und tat, als
bemerke er die Anwesenheit des Bruders nicht.
    Als dieser aber ein drohendes Knurren von sich gab, begann
er:
    »Ho, Pfarrer, Sie gehen wohl mit Ihrem Schwein spazieren?«
    »Warte nur, Räuber,« kreischte der Bruder und ballte die
Fäuste.
    Jeanbernat hob den Stock und tat, als ob er ihn erst jetzt
erkenne.
    »Runter mit den Pfoten!« schrie er. »Ah, du bist es, Pfaffe! Am
Gestank deines Leders hätte ich dich erkennen sollen. Wir müssen
noch abrechnen. Ich habe geschworen, dir die Ohren abzuschneiden,
wenn du Schule hältst. Das wird den Buben Spaß machen, die du
verdirbst.«
    Vor dem Stock zog sich der Bruder zurück, erstickte fast vor
Wut, stotterte, fand die Worte nicht mehr.
    »Die Polizei bring' ich dir auf den Hals, Mörder! Du hast auf
die Kirche gespuckt, ich hab's gesehen! Wenn du an den Türen
vorbeigehst, verseuchst du die armen Leute. In Sankt-Eutrope hast
du einem Mädchen die Leibesfrucht abgetrieben, du zwangst sie, eine
von dir gestohlene geweihte Hostie zu essen. In Biage hast du
Kinder ausgegraben und sie auf deinem Rücken fortgeschleppt, sie
verwendet zu deinen Abscheulichkeiten… Alle Welt weiß es. Elender!
Du bist das Ärgernis der ganzen Gegend. Wer dich erdrosselt, kommt
sofort in den Himmel.«
    Der Alte hörte grinsend zu und ließ seinen Stock kreisen.
Zwischen zwei Beschimpfungen des anderen sagte er halblaut:
    »So, so, Schlange, mach' dir nur Luft!
Nachher brech' ich dir das Rückgrat.«
    Der Abbé Mouret wollte einschreiten; Bruder Archangias stieß ihn
aber zurück mit den Worten:
    »Sie, Sie sind auf seiner Seite! Hat er Sie nicht auf das Kreuz
treten lassen? Können Sie das leugnen?«
    Und wieder zu Jeanbernat:
    »Satan du! Wie du dich gefreut hast, als du einen Priester
erwischen konntest. Der Himmel soll zerschmettern, die dir halfen
bei dieser Lästerung! … Was tatest du in der Nacht, während er
schlief? Was hast du mit deinem Speichel getan? Die Tonsur
befeuchtet, damit die Haare schneller wachsen. Du hast ihm auf Kinn
und Wangen geblasen, damit der Bart in einer Nacht fingerbreit
wüchse. Du hast ihm den ganzen Körper eingerieben mit deinen
Herereien, flößtest ihm in den Mund höllischen Saft ein, setztest
ihn in Brunst … So hast du ihn zum Vieh gemacht, Satan!«
    »Seine Dummheit beginnt mich zu langweilen,« äußerte Jeanbernat
und schulterte seinen Stock neuerdings.
    Mutig gemacht, streckte ihm der Bruder seine beiden Fäuste unter
die Nase.
    »Und deine Dirne?« brüllte er. »Du hast sie splitternackt dem
Priester ins Bett gesteckt!«
    Laut aufheulend machte er einen Sprung nach rückwärts.
    Der Stock des Alten hatte ihn mit voller Wucht getroffen und
zerbrach auf seinem Rücken. Er zog sich noch

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