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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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»Trauen Sie nur die Leute, wenn Sie nicht wohl genug
dazu sind und krank davon werden. Ich wußte es wohl, gestern habe
ich es schon gesagt … Es sieht fast
so aus, als hörten Sie mir zu; wenn Sie könnten, machten Sie sich
aus dem Staub, weil Sie den Stallgeruch nicht vertragen können. Es
stinkt gerade ordentlich. Ich weiß wirklich nicht, mit was Fräulein
Desiderata wieder herumwirtschaftet. Sie hat gut singen; ihr ist's
ganz gleich, sie bekommt Farbe davon … Ach, was ich noch sagen
wollte. Alles hab' ich getan, müssen Sie wissen, um sie
fortzubringen, als der Stier die Kuh besprang. Aber sie ist Ihnen
ähnlich, voller Eigensinn! Es ist ein Glück, daß das bei ihr nichts
zu bedeuten hat. Ihre Freude sind die Tiere und die Jungen… Sie
müssen vernünftig sein, Herr Pfarrer, sehen Sie doch. Erlauben Sie,
daß ich Sie in Ihr Zimmer bringe? Legen Sie sich nieder und ruhen
Sie sich ein wenig… Nein, Sie wollen nicht? Nun, dann kann Ihnen
nicht geholfen werden, dann müssen Sie eben Schmerzen leiden. Man
behält sein Leid doch nicht so auf dem Gewissen, bis man daran
erstickt!«
    Und aus Zorn verschluckte sie einen großen Löffel Suppe, auf die
Gefahr hin, sich den Hals zu verbrühen. Brummend klopfte sie mit
dem Holzstiel gegen die Schale und sprach mit sich selbst.
    »Hat man je so einen Menschen gesehen. Nicht ums Verrecken
kriegt man ein Wort aus ihm heraus … Oh, er kann den Mund
halten, ich weiß genug! Man braucht nicht schlau sein, um den Rest
zu raten … Ja, ja, er soll nur den Mund halten! Das ist auch
besser!«
    Die Teusin war eifersüchtig. Der Doktor Pascal hatte einen
wahrhaften Kampf mit ihr auszufechten gehabt, um ihr seinen
Patienten zu entreißen, als er annehmen mußte, der junge Priester
sei verloren, verbliebe er im Pfarrhaus. Er versuchte ihr klar zu
machen, die Glocke steigere sein Fieber,
die Heiligenbilder in seinem Zimmer erfüllten sein Gehirn mit
Wahnbildern, daß ihm vor allen Dingen vollkommenes Vergessen, eine
andere Umgebung vonnöten sei, um auferstehen zu können im Frieden
neuen Lebens. Sie schüttelte den Kopf und sagte, das liebe Kind
könne nirgendwo bessere Pflege finden als bei ihr. Trotzdem hatte
sie schließlich zugestimmt, sie hatte sich sogar damit abgefunden,
ihn im Paradeis zu wissen, allerdings unter heftigem Protest gegen
die Wahl des Doktors, die sie bestürzte. Aber ein tiefer Haß gegen
das Paradeis blieb ihr. Vor allem verletzte sie das Schweigen des
Abbés Mouret über die dort verlebte Zeit. Oftmals hatte sie
vergeblich den Versuch gemacht, ihn zum Reden zu bringen. An diesem
Morgen, außer sich darüber, ihn so blaß zu sehen und entschlossen,
klaglos zu leiden, schwang sie schließlich ihren Löffel wie einen
Stock und schrie:
    »Gehen Sie doch wieder hin, Herr Pfarrer, wenn es Ihnen da so
gut ging… es gibt ja dort jemand, der Sie zweifelsohne besser
pflegen kann als ich.«
    Zum ersten Male wagte sie eine offene Anspielung. Die
Erschütterung war so schmerzhaft, daß dem Priester ein leiser Ruf
entfuhr und er sein leidendes Antlitz hob. Die gute Seele empfand
Reue.
    »Ihr Onkel Pascal trägt die Schuld,« murmelte sie. »Hab' ich es
ihm nicht genügend gesagt? Aber die Studierten, die verbeißen sich
in ihre Einfälle. Es soll sogar welche geben, die einen zu Tode
bringen, um nachher im Körper herumwühlen zu können… Mich hat das
damals in solchen Zorn versetzt, daß ich zu niemand reden konnte.
Ja, Herr, mir haben Sie es zu verdanken, daß niemand Wind bekommen
hat von Ihrem Aufenthalt, so abscheulich
fand ich das Ganze. Wenn der Abbé Guyot aus St.-Eutrope, der Sie in
Ihrer Abwesenheit vertrat, Sonntags die Messe hier las, band ich
ihm Märchen auf und schwor, Sie seien in der Schweiz. Ich weiß
nicht einmal, wo die liegt… Keineswegs will ich Ihnen weh tun, aber
eines ist sicher, da droben haben Sie sich Ihr Übel geholt. Das
nenn' ich eine merkwürdige Genesung! Sie wären besser bei mir
geblieben, ich wenigstens hätte es mir nicht einfallen lassen,
Ihnen den Kopf zu verdrehen.«
    Der Abbé Mouret beugte den Nacken wieder und unterbrach sie
nicht. Sie hatte sich in einiger Entfernung auf den Boden gesetzt,
um den Versuch zu machen, ihm in die Augen zu sehen. Froh darüber,
daß er anscheinend Willens war, sie anzuhören, begann sie in
mütterlichem Tone:
    »Nie wollten Sie die Geschichte des Abbés Caffin hören. Gleich
hießen Sie mich schweigen, wenn ich davon anfing… Nun, der Abbé
Caffin hatte bei uns zu Hause, in Canteleu,

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