Die Sünde des Abbé Mouret
Desiderata hatte ihn angehalten, um
ihn einen Kapaun heben zu lassen, den sie seit einigen Wochen
mästete. »Er sei sehr schwer,« sagte er artig, worüber das große
Kind zufrieden lachte.
»Auch der Kapaun drückt sich das Herz ab wie einen Floh,«
kollerte die Teusin, gänzlich außer sich. »Er weiß wohl,
warum … dann ist es keine Kunst, sittsam zu leben.«
Kapitel 4
Der Abbé Mouret verbrachte seine Tage in der Pfarrei. Er mied
lange Spaziergänge, wie er sie vor seiner Krankheit liebte. Das
ausgebrannte Gelände des Artaud, die Hitzeglut dieses Tales, in dem
nur verkrüppelte Weinstöcke gediehen, beunruhigte ihn. Zweimal
machte er den Versuch, morgens auszugehen, um den Weg entlang sein
Brevier zu lesen; aber er war nicht über das Dorf hinausgekommen und umgekehrt. Die Düfte,
Sonnengluten, die Weite des Horizontes verwirrten ihn. Nur am
Abend, in nächtlicher Kühle, wagte er sich heraus und machte ein
paar Schritte vor der Kirche auf dem Weg, der sich bis zum Kirchhof
hinzog. Von einem Drang nach unstillbarer Tätigkeit erfaßt, hatte
er sich zur Aufgabe gemacht, nachmittags die zerbrochenen Fenster
des Schiffes mit Papier auszukleben. Acht Tage hatte ihn dies auf
eine Leiter gebannt, eifrig bemühte er sich, die Scheiben sauber
einzusetzen, er schnitt künstlich und behutsam das Papier zurecht,
suchte den Leim so zu verteilen, daß keine Unebenheiten sich
bildeten. Die Teusin bewachte den Fuß der Leiter. Desiderata rief,
nicht alle Fensterrahmen sollten zugeklebt werden, damit die Vögel
noch ein und aus fliegen könnten; und um ihr keinen Kummer zu
machen, unterließ es der Priester, zwei oder drei Scheiben an jedem
Fenster zu verkleben. Nachdem er fertig war mit dieser
Ausbesserung, war ihm der Ehrgeiz gekommen, die Kirche zu
verschönern, ohne die Hilfe von Maurer, Schreiner und Anstreicher.
Alles wollte er selbst tun. Diese körperliche Arbeit, sagte er,
mache ihm Freude und kräftige ihn. Onkel Pascal stimmte ihm zu,
jedesmal, wenn er in der Pfarre vorsprach, versicherte ihm, diese
Anstrengung sei Mehr wert als alle Schlafmittel der Welt. So sah
man von jetzt ab den Abbé Mouret die Mauerrisse mit Gips zuwerfen,
die Altäre zusammennageln mit hallenden Hammerschlägen, Farben
anrühren, um Kanzel und Beichtstühle zu überstreichen. Es war ein
Ereignis. Zwei Meilen in der Runde sprach man von nichts anderem.
Bauersleute kamen und sahen mit den Händen auf dem Rücken der
Arbeit des Herrn Pfarrers zu. Eine blaue Schürze umgebunden, mit aufgeriebenen Handgelenken,
vertiefte er sich in sein grobes Handwerk und fand darin einen
Vorwand, nicht mehr auszugehen. Unter Gips und Schuttgebröckel
verbrachte er seine Tage, ruhig und fast heiter konnte er das
Draußen vergessen, Bäume, Sonne und lauen Wind, die ihn
verstörten.
»Der Herr Pfarrer kann machen, was er will, solange es der
Gemeinde nichts kostet,« sprach Vater Bambousse grinsend, wenn er
allabendlich hereinkam, um nachzusehen, wie weit die Arbeit
gediehen sei.
Der Abbé Mouret verbrauchte dieserart seine Seminarersparnisse.
Übrigens handelte es sich um Verschönerungen, deren kindliches
Ungeschick zum Lachen war. Die Maurerarbeiten schreckten den Abbé
bald ab. Er begnügte sich damit, in Manneshöhe das Kircheninnere
neu zu weißen. Die Teusin rührte den Kalk an. Als sie davon sprach,
man müsse auch das Pfarrhaus ausbessern, vor dessen Einsturz ihre
Köpfe nicht sicher wären, wie sie sagte, erklärte er ihr, er
brächte das nicht fertig, ein Arbeiter müsse das machen; dies
führte zu einem schrecklichen Zwist zwischen ihnen. Sie rief, es
sei unvernünftig, eine Kirche so herauszuputzen, in der niemand
schlafen müsse, wenn nebenan Räumlichkeiten lägen, in denen man sie
sicherlich einen dieser Tage erschlagen von der eingestürzten Decke
vorfinden würde.
»Es wird so weit kommen,« grollte sie, »daß ich mein Bett hier
hinter dem Altar aufschlagen muß. Ich fürchte mich zu sehr in der
Nacht.«
Als der Gips ausging, erwähnte sie das Pfarrhaus nicht mehr.
Dann sah sie entzückt zu, wie der Herr Pfarrer malte. Dies bildete
die Hauptanziehung des ganzen Treibens. Der Abbé gefiel sich darin, mit einem großen Pinsel
das ganze Holzwerk in schönes Gelb zu tauchen, kleine Holzstücklein
waren überall ersetzt. Friedlich ließ er sich vom Hin und Her der
Pinselstriche einschläfernd wiegen, für Stunden vergingen ihm so
die Gedanken beim Einerlei der glänzenden Farbenstreifen. Als alles
gelb war, Beichtstuhl, Kanzel,
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