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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Unannehmlichkeiten.
Deswegen war er doch ein sehr frommer Mann mit goldenem Herzen.
Aber, sehen Sie, er war eben ein bißchen weich und liebte
Leckerbissen. So sehr, daß ein junges Fräulein, eine
Müllerstochter, die ihre Eltern in Pension getan hatten, ihn
umschlich. Kurz, es kam, was kommen mußte, nicht wahr, Sie
verstehen? … Als die Sache sich herumsprach, stand das ganze
Land auf gegen den Abbé. Man verfolgte ihn, um ihn zu steinigen. Er
rettete sich nach Rouen und vergoß Tränen beim Erzbischof. Dann
schickte man ihn her. Es war hart genug für den armen Mann, in
diesem Nest zu leben… Später hörte ich einmal von dem
Mädchen. Sie hat einen Viehhändler
geheiratet und ist sehr glücklich geworden.«
    Die Teusin war höchst befriedigt, ihre Geschichte angebracht zu
haben und deutete die Regungslosigkeit des Priesters als
Aufmunterung. Sie kam etwas näher und fuhr fort:
    »Der gute Herr Caffin! Er war gar nicht stolz mir gegenüber und
sprach oft mit mir über seine Sünde. Deshalb ist er doch in den
Himmel gekommen, da können Sie Gift darauf nehmen: er kann ruhig
schlafen unter'm Rasen da nebenan, nie hat er einem Menschen Böses
getan… Ich verstehe gar nicht, warum man einem Priester so übel
nimmt, wenn er Seitensprünge macht. Das ist doch menschlich! Schön
ist es sicher nicht und bleibt eine Schmutzerei, über die Gott
sicherlich sich erzürnt. Aber immerhin ist es noch besser als
stehlen. Man beichtet eben und ist seiner Sünden dann ledig!… Nicht
wahr, Herr Pfarrer, wenn man wirklich reuig ist, wird man trotzdem
des Heils teilhaftig?«
    Der Abbé Mouret richtete sich langsam auf. Mit letzter Kraft
überwand er sein Wehgefühl; immer noch blaß, sagte er mit fester
Stimme:
    »Nie soll man sündigen, nie, nie!«
    »Halten Sie ein, Herr!« rief die alte Dienerin. »Sie sind zu
hochmütig! Stolz ist auch nicht schön! An ihrer Stelle benähme ich
mich nicht so steif. Man spricht über sein Leid und erwürgt nicht
plötzlich sein Herz, gewöhnt sich langsam an die Trennung! Das
kommt dann nach und nach … Anstatt, wie Sie, sogar zu
vermeiden, den Namen gewisser Leute auszusprechen. Sie verbieten,
daß man von ihnen spricht, es ist, als ob sie gestorben wären für
sie. Seit Ihrer Heimkehr habe ich nicht
gewagt, Ihnen die kleinste Neuigkeit zu erzählen. Nun gut! Jetzt
werde ich sprechen; ich will erzählen, was ich weiß, weil ich wohl
sehe, das Stillesein beschwert Ihnen das Herz.«
    Er sah sie streng an und hob einen Finger, um sie zum Schweigen
zu bringen.
    »Wohl, wohl,« fuhr sie fort, »ich bekomme Nachrichten von da
drüben, oft sogar, und ich werde sie Ihnen übermitteln …
Erstens, eine gewisse Person ist nicht besser daran wie Sie.«
    »Schweigen Sie!« sagte der Abbé Mouret, der stark genug war,
sich aufzurichten und fortzugehen.
    Die Teusin erhob sich ebenfalls und versperrte ihm mit ihrer
umfangreichen Person den Weg. Sie wurde böse und rief:
    »Da, schon läuft er davon!… Sie sollen mich aber anhören. Sie
wissen doch, daß ich gar keine Zuneigung für die Leute da drüben
habe, nicht wahr? Wenn ich über sie rede, geschieht das zu Ihrem
Besten … Eifersüchtig soll ich sein. Gut, ich habe mir
ausgedacht, Sie eines schönen Tages hinüberzubegleiten. Gehen Sie
mit mir zusammen, brauchen Sie nicht Angst davor zu haben, schwach
zu werden … Ist es Ihnen recht?«
    Er schob sie beiseite mit einer Bewegung. Sein Gesicht wurde
ruhig, er sagte:
    »Ich will nichts und weiß nichts… Morgen haben wir ein Hochamt,
der Altar muß instand gesetzt werden.«
    Dann, schon im Gehen, fügte er lächelnd hinzu:
    »Beunruhigen Sie sich nicht, gute Teuse. Ich bin stärker als Sie
denken. Ich werde ganz von selbst wieder gesund werden.«
    Und er entfernte sich gefestigt und
erhobenen Hauptes, er hatte gesiegt.
    Sanft strich seine Sutane an der Thymianeinfassung entlang. Die
Teusin stand noch auf demselben Fleck, dann raffte sie ihre Schale
und den Holzlöffel schmollend zusammen, stieß Worte durch die
Zähne, die sie mit lebhaftem Achselzucken begleitete:
    »Man spielt den Tapferen, man bildet sich ein, anders zu sein
wie andere Männer, weil man Pfarrer ist… Eins muß wahr sein, der da
ist eine harte Nuß. Ich hab' andere gekannt, die brauchte man nicht
so lange zu kitzeln. Und er ist imstande, sich das Herz abzudrücken
wie einen Floh. Sein lieber Gott gibt ihm die Kraft dazu!«
    Sie ging zurück in die Küche, als sie den Abbé Mouret vor der
vergitterten Hoftür stehen sah.

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