Die Sünde des Abbé Mouret
albern!«
Aber der Abbé Mouret war noch nicht an der Türe, da stand er auf
und warf heftig seine Karten hin. Er kam zurück und sagte der
Teusin:
»Ich war am Gewinnen … Lassen Sie die Karten so liegen, wie
wir sie hingeworfen haben. Morgen spielen wir weiter.«
»Ach, jetzt ist alles durcheinander gekommen,« erwiderte die
alte Magd, die sich beeilt hatte, die Karten zu vermengen. »Glauben
Sie vielleicht, ich werde Ihre Karten unter Glas setzen! Außerdem
hätte ich noch gewinnen können, ich hatte noch ein As.«
Mit wenigen großen Schritten hatte Bruder Archangias den Abbé
Mouret eingeholt, der den kleinen, zum Artaud führenden Pfad
hinunterging. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihn zu
bewachen. Allstündlich paßte er ihm auf, begleitete ihn überallhin,
schickte ihm einen seiner Schuljungen nach, wenn er selbst nicht
abkömmlich war. Mit seinem häßlichen Lachen sagte er, daß er
»Gottes Schutzmann« sei. Und es war wirklich so, als sei der
Priester ein im Dunkel der schwarzen Sutane des Bruders gefangener
Verbrecher, dem man mißtraut und von dem man annimmt, daß er
rückfällig wird, wenn man ihn eine Minute aus den Augen läßt. Er
ging zu Werk mit der Bitterkeit einer eifersüchtigen alten Jungfer;
wie die kleinliche Sorge eines Kerkermeisters war es, der die
Ausübung seines Amtes soweit übertreibt, die durch Luken sichtbaren
Himmelsstücklein auszusperren. Bruder Archangias war immer auf dem
Posten, stellte sich vor die Sonne, vertrieb jeden Duft und
umlauerte das Pfarrhaus so gründlich, daß
nichts von außerhalb mehr Eingang fand. Die kleinsten Schwächen des
Abbé erspähte er, las ihm zärtliche Gedanken aus hellem Blick ab
und erstickte sie mit einem Wort, wie böswillige Tiere. Schweigen,
Lächeln, die Blässe der Stirn, das Zusammenschauern der Glieder,
alles war in seine Gewalt gegeben. Übrigens vermied er von dem
Fehltritt geradeaus zu sprechen. Schon seine Anwesenheit war ein
Vorwurf. Die Art, wie er manche Sätze betonte, gab ihnen das scharf
Schneidende eines Geißelhiebes. In einer Bewegung vermochte er
allen Kot zusammenzuraffen, den er über die Sünde zu speien
pflegte. Wie jene betrogenen Ehemänner, die ihre Frauen mit
beißenden Anspielungen knechten, deren Grausamkeit ihnen allein
offenbar ist, tat er der Begebenheit im Paradeis keinerlei
Erwähnung, sondern begnügte sich damit, sie mit einem einzigen Wort
zu beschwören, um in gefährlicher Stunde dies widerspenstige
Fleisch zu vernichten. Auch er war hintergangen worden von diesem
Priester, der ganz besudelt war von Gottehebruch, der Gelübde
verraten hatte, noch überrieselt war von verbotenen Zärtlichkeiten,
deren schwache Ausstrahlung genügte, seine Verhaltenheit niemals
befriedigten Bockes wütend aufzureizen. Es war fast zehn Uhr. Das
Dorf schlief; aber nach der Mühle zu am anderen Ende ging es hoch
her in einem hellerleuchteten Gebäu. Vater Bambousse hatte Tochter
und Schwiegersohn einen Teil seines Hauses abgetreten; die besten
Zimmer behielt er für sich. In Erwartung des Pfarrers trank man
dort eine letzte Runde.
»Besoffen sind sie,« schimpfte Bruder Archangias, »hören Sie
nur, wie sie sich aufführen!«
Der Abbé Mouret gab keine Antwort. Es war
eine prachtvolle Nacht, ganz durchblaut vom Mond; das ferne Tal
wandelte sich zum träumenden See. Und er verlangsamte seinen
Schritt, wohlig durchdrungen von der sanften Klarheit; er hielt
sogar ein vor manchem Strahlenstreifen, angenehm durchschauert wie
von der Nähe kühlen Gewässers. Der Bruder hastete weiter, schalt
und sprach auf ihn ein.
»Kommen Sie doch … es ist ungesund, um diese Zeit über Land
zu gehen. Sie gehörten ins Bett.«
Am Anfang des Dorfes pflanzte er sich plötzlich mitten auf die
Straße. Er hielt Ausschau nach den Höhen, wo weiße Linien sich im
Dunkel kleiner Nadelwälder verloren. Er knurrte wie ein Hund, der
Gefahr wittert.
»Wer kommt denn da so spät herunter?« murmelte er.
Der Priester sah und hörte nichts und wollte ihn nun seinerseits
zur Eile antreiben.
»Lassen Sie doch, da haben wir ihn,« fing aufgeregt Bruder
Archangias wieder an. »Jetzt ist er an der Biegung. Da, nun sieht
man ihn im Mondschein. Jetzt können wir ihn genau sehen. Ein langer
Mensch ist es mit einem Stock.«
Dann nach einer Pause mit rauher, wuterstickter Stimme:
»Der Spitzbube ist es! … Hab' ich es doch gleich
gedacht.«
Jetzt war der Kommende unten am Abhang angelangt; der Abbé
Mouret erkannte Jeanbernat. Trotz seiner
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