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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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selbst fühlte mich
nicht mehr keusch, wenn ich neben Ihnen ging. Sie rochen nach
Unzucht … Jetzt sind Sie wieder vernünftig. Sie brauchen nicht
einmal zu beichten, ich weiß, Sie sind geschlagen. Der Himmel hat
Ihre Flanken zerrüttet wie die der anderen. Um so besser, um so
besser!«
    Er klatschte frohlockend in die Hände. Der träumerisch
dahinwandelnde Abbé hörte nicht auf ihn. Sein Lächeln hatte sich
vertieft, und als der Bruder ihn an der Türe des Pfarrhauses
verließ, umschritt er es und trat in die Kirche ein. Ganz grau lag
sie, wie an jenem regnerischen Schreckensabend, da ihn die
Versuchung so heftig ergriffen hatte. Arm und gefaßt stand sie, bar
goldenen Glanzes, kein Sturmgetöse brauste vom Lande her.
Feierliches Schweigen umgab sie, nur wie Wehen der Gnade durchzog
es sie.
    Vor dem großen Christus kniete der Priester, weinte Tränen, die
wie ebenso viele Freuden seine Wangen überrannen und flüsterte:
    »O mein Gott, unwahr ist es, daß du ohne Barmherzigkeit bist.
Ich fühle, du hast mir schon vergeben, an deiner Gnade fühle ich
es, die seit Stunden sich wieder in mich ergießt und in langsam
sicherem Fluß das Heil mir wiederbringt. O mein Gott, zur Stunde,
da ich dich verließ, hast du am wirksamsten mir deinen Schutz
gewährt. Du verbargst dich vor mir, um
mich besser vom Übel zu erlösen. Du hast meine Fleischlichkeit ihre
Wege gehen lassen, um mich mit Unvermögen zu schlagen … Und
jetzt, o mein Gott, weiß ich, daß du auf immer mich mit deinem
Zeichen besiegelt hast, dem fürchterlichen, wunderbaren Zeichen,
das einen Mann der Schar der Männer entfremdet, dessen Mal
unauslöschlich ist und später oder früher ausbricht an dem
schuldbeladenen Körper. Du hast mich überwunden in Sünde und
Versuchung, du hast mich heimgesucht mit deinen Flammen. Du hast
beschlossen, alles in mir solle zerstört sein, auf daß du in
Sicherheit in mich niederzusteigen vermöchtest. Ein leeres Haus bin
ich, das dir Wohnung zu sein vermag … Sei gelobt, mein
Gott.«
    Stammelnd bog er sich in den Staub, die Kirche war siegreich;
aufrecht erhob sie sich zu Häupten des Priesters mit ihren Altären,
ihrer Kanzel, dem Beichtgestühl, ihren Kreuzen und Heiligenbildern.
Die Welt war überwunden. Die Versuchung erlosch, wie ein Brand, der
fortan erläßlich war zur Entsühnung dieses Körpers. Ein
übermenschlicher Friede sank in ihn ein und ein letztesmal rief
er:
    »Dem Leben entäußert, außerhalb der Kreatur, der ganzen Welt,
gehöre ich dir, o mein Gott, einzig dir allein, in Ewigkeit.«

Kapitel 14
     
    Albine irrte zur selben Zeit noch im Paradeis umher, in stummem
Leidenskampf, wie ein todwundes Tier. Sie weinte nicht, ihr Gesicht
war weiß, die Stirn durchschnitt eine tiefe Falte. Warum mußte sie
so tödlich leiden? Was hatte sie verschuldet, daß der Garten ihr so
unvermittelt Versprechungen nicht mehr
erfüllen wollte, die er seit Kindertagen ihr zuflüsterte. Sie
grübelte vor sich hin, ohne der Alleen zu achten, die Schatten nach
und nach durchdrang. Und doch war sie immer folgsam gewesen dem
Gebot der Bäume.
    Sie konnte sich nicht erinnern, eine Blume geknickt zu haben.
Immer war sie die liebende Tochter alles Grünenden verblieben, die
in Ergebenheit lauschte und sich gänzlich auslieferte im Glauben an
das ihr bestimmte Glück. Als das Paradeis am letzten Tage ihr
zugerufen hatte, sich unter dem großen Baum hinzustrecken, hatte
sie sich hingestreckt, hatte die Arme gebreitet, eingedenk der ihr
zugeflüsterten Lehren. Lag die Schuld also nicht an ihr, so war es
der Garten, der sie verriet und quälte, einzig um der Lust willen,
ihr Leiden zu schaffen.
    Sie blieb stehen und sah um sich. Gesammeltes Schweigen lag auf
der massigen Blätterdunkelheit; Wege, die sich schwarz umbauten,
wurden zu finsteren Sackgassen; auf den Rasenstreifen in der Ferne
entschliefen die schweifenden Winde. Verzweifelt streckte sie die
Hände aus und schrie in wilder Abwehr auf. Dies konnte das Ende
nicht sein. Aber ihre Stimme verklang im Schweigen der Bäume.
Dreimal beschwor sie das Paradeis, ihr Antwort zu geben, ohne daß
ihr aus den ragenden Zweigen Klarheit geworden wäre, ohne daß auch
nur ein einziges Blatt sich ihrer erbarmt hätte. Als sie dann
weiterirrte, fühlte sie sich winterlichem Schicksal preisgegeben.
Jetzt, da sie die Erde nicht mehr anklagte als empörtes Geschöpf,
vernahm sie leise Stimmen, die über den Boden rannen, das Lebewohl
der Pflanzen, die sich einen glücklichen Tod

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