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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Beeten, dem Obstgelände, Wiesen, Wald und
Felsen und der Himmelsweite hob sich lachende Wollust, befruchtend
wehender Wind. Niemals an lauesten Frühlingsabenden standen dem
Garten solch tiefste Zärtlichkeiten zu Gebot, wie in den
letztschönen Tagen, wenn die Pflanzen beim Abschiedneigen
entschlafen. Das Duften der reifen Triebe umschwankte in trunkenem
Verlangen die spärlich gewordenen Blätter.
    »Kannst du verstehen? Kannst du verstehen?« stammelte Albine an
Sergius' Ohr. Sie hatte ihn am Fuß des Baumes ins Gras
niedergleiten lassen.
    Sergius weinte.
    »Du siehst, das Paradeis ist nicht tot. Es ruft uns auf zur
Liebe. Immer noch begehrt es unsere Vereinigung … Oh, erinnere
dich! Nimm mich an deine Brust, laß uns einander angehören.«
    Sergius weinte.
    Sie sagte nichts mehr. In zornigem Umschlingen nahm sie ihn.
Ihre Lippen preßten sich diesem Leichnam auf, um ihn aufzuwecken.
Und immer noch weinte Sergius, nichts als Tränen fand er.
    Nach einer langen Stille begann Albine zu sprechen. Aufrecht
stand sie in entschlossener Verachtung.
    »Geh!« sagte sie leise.
    Sergius erhob sich mit Anstrengung. Er nahm sein Brevier auf,
das ins Gras gefallen war, und ging.
    »Geh!« wiederholte Albine mit erhobener Stimme. Sie ging hinter
ihm und trieb ihn vor sich her.
    So stieß sie ihn von Busch zu Busch und führte ihn zurück zur Mauerbresche unter den ernsten Bäumen. Und
als Sergius dort mit gesenkter Stirne zauderte, schrie sie
wild:
    »Geh!… Geh!« Dann schritt sie langsam zurück ins Paradeis, ohne
den Kopf zu wenden.
    Die Nacht fiel, der Garten war wie ein großer Schattensarg.

Kapitel 13
     
    Wach stand Bruder Archangias auf der Bresche und hieb mit seinem
Stock gegen die Steine unter greulichen Flüchen.
    »Der Teufel soll ihnen die Schenkel knicken! Wie Hunde soll er
sie den einen auf den Hintern des anderen nageln. An den Füßen soll
er sie schleifen, mit der Nase in ihrem Unrat!«
    Als er Albine erblickte, die den Priester vertrieb, hielt er
verwundert einen Augenblick inne. Dann schlug er heftiger noch
darauf los und lachte scheußlich auf.
    »Gute Reise, Dirnenbrut! Mach, daß du zu deinen Wölfen
zurückkommst, und treibe Unzucht mit ihnen … Ach, ein Heiliger
genügt dir wohl nicht? Dir tun kräftigere Flanken not. Eichen
möchtest du haben! Willst du meinen Stock? Da hast du den strammen
Burschen, der dir Genüge tun kann.«
    Und aus aller Kraft warf er Albine den Stock nach in die
Dämmerung. Dann grollte er, den Abbé Mouret ansehend:
    »Ich wußte wohl, daß Sie da drinnen waren. Die Steine lagen anders … Hören Sie zu, Herr
Pfarrer, Ihre Sünde hat mich zu Ihrem Vorgesetzten gemacht. Gott
redet zu Ihnen durch meinen Mund und sagt, die Hölle kennt keine
genugsam schrecklichen Strafen für den in Fleischeslust lebenden
Priester. Geruht er Ihnen zu verzeihen, ist seine Güte zu groß,
denn er handelte so seiner eigenen Gerechtigkeit zuwider.«
    Die beiden stiegen langsamen Schrittes zum Artaud hinab. Der
Priester hatte den Mund nicht aufgetan. Nach und nach hob er den
Kopf, das Zittern war vergangen. Als er in der Ferne im
blaßvioletten Himmel des schwarzen Liniengestänges der
Einsiedlerzypresse ansichtig wurde neben dem roten Fleck des
Kirchendaches, lächelte er matt. In seine hellen Augen stieg eine
stille Heiterkeit. Der Bruder indessen stieß von Zeit zu Zeit mit
dem Fuß nach einem Stein. Dann drehte er sich um und sagte zu
seinem Begleiter:
    »Ist dies nun das letzte Mal? Als ich so alt war wie Sie, war
ich von einem Dämon besessen, dann wurde es ihm langweilig, und er
hat sich davongemacht. Meine Flanken sind tot, und ich kann ruhig
leben … Oh, ich wußte genau, daß Sie herkommen würden. Seit
drei Monaten belauere ich Sie. Ich habe durch das Mauerloch in den
Garten gesehen. Am liebsten hätte ich die Bäume abgehauen. Oft warf
ich mit Steinen und war froh, wenn ich einen Zweig traf … Ist
es denn so außerordentlich, was man da drinnen zu kosten
bekommt?«
    Er hielt den Abbé Mouret in der Mitte der Straße an mit Augen,
die von schrecklicher Eifersucht funkelten. Die geahnten Wonnen des
Paradeis peinigten ihn. Seit Wochen hatte er sich auf der Schwelle
gehalten und von weitem die verbotenen
Freuden gewittert. Da der Abbé stumm blieb, setzte er grunzend
seinen Weg weiter fort und brummte allerhand Zweideutigkeiten vor
sich hin. Dann mit erhobener Stimme:
    »Sehen Sie, wenn ein Priester tut, was Sie getan haben, so ist
er für andere Priester ein Ärgernis … Ich

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