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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Todeskampf
zuckender Sterne, denen Pesthauch der Verwesung schon entatmet. Und
noch andere Betrübnis mehr: fleischiger Hahnenfuß von der dumpfen
Farbe rostigen Metalles, Hyazinthen und Tuberosen hauchten
betäubende Düfte und erstarben in ihrem eigenen Duft. Aber
Aschenkraut tat sich zumeist hervor. Ein
ganzer Wald von Aschenkraut, das Halbtrauer violetter und weißer
Gewänder aus Streifensammt und einfarbigem Sammt in reicher
Einfachheit zeigte. Inmitten des Trauerfeldes stand ein
verstümmelter Liebesgott aus Marmor aufrecht, der den Bogen
haltende Arm lag zwischen Nesseln; er lächelte noch trotz des
Moosgeflechtes, unter dem seine kindliche Nacktheit fröstelte.
Sodann versanken Albine und Sergius in einem Feld von Pfingstrosen.
Die weißen Blumen zerfielen in einem Regen großer Blumenblätter,
der ihnen die Hände kühlte wie große Tropfen eines Gewitterregens.
Die roten Blumen sahen wie erhitzte Gesichter aus, deren laute
Fröhlichkeit sie beunruhigte. Zur Linken kamen sie in ein
Fuchsienbeet, ein Gewirr geschmeidiger Sträucher, die sie
entzückend fanden mit der Unmenge ihrer Glöckchen, wie japanisches
Spielzeug. Hierauf überschritten sie ein Feld von lilatraubigem
Ehrenpreis, Geranien- und Pelagonienfelder, die glühend überflammt
schienen vom roten, rosa und weißen Glühen eines Kohlenbeckens, das
der kleinste Windhauch unaufhörlich neu entfacht. Sie mußten
Vorhänge von schilfhohen Gladiolen umgehen; die Blumenschäfte
zückten, farbenreich brennend in der Tageshelligkeit, wie abendlich
entzündete Fackeln. Sie verirrten sich inmitten eines Dickichts von
Sonnenblumen, eines Hochwaldes von Stengeln, die den Umfang von
Albines Taille hatten, verdüstert von rauhen Blättern, die genügend
groß waren, um ein Kind darauf zu betten, belebt von riesigen
Sterngesichtern, die wie ebenso viele Sonnen glänzten. Endlich
gelangten sie in eine andersartige Waldung, ein
Rhododendrongebüsch, so durchsetzt mit Blumen, daß die Zweige und
Blätter nicht zu sehen waren, zu riesigen
Sträußen gehäuft, Kiepen voll zarter Blütenkelche, die sich bis in
den Himmel hoben.
    »Glaub' nur nicht, daß wir am Ende sind,« rief Albine, »weiter,
nur weiter!«
    Aber Sergius hielt sie zurück. Sie befanden sich jetzt inmitten
einer alten Säulenhalle; Säulenstümpfe formten Bänke zwischen einem
Gewucher von Primeln und Immergrün. Etwas weiter zwischen den noch
aufwärts stehenden Säulen erstreckten sich noch andere
Blumenfelder: Tulpen in der bunten Lebhaftigkeit gemalter
Porzellane, Felder von Kalzeolarien, ein leichtes Fleischgebläse,
golden und blutig bepunktet; Felder von Zinnia, wie große erzürnte
Gänseblumen; Felder von Petunien, weichblätterig wie fraulicher
Battist, und Felder über Felder in unübersehbarer Folge, deren
Blumen nicht mehr zu erkennen waren. Teppichbunt breitete sich
heftig blühende Wirrnis in der Rahmung sanften Grasgrüns.
    »Wir werden nie bis ans Ende kommen,« sagte Sergius lächelnd und
streckte den Arm aus. »Hier müßte es gut sein auszuruhen in den
wehenden Düften.
    Ihnen zur Seite lag ein Feld von Heliotrop; so süßer Vanilleatem
entströmte ihm, daß der Wind, von ihm erfüllt, zur samtenen
Liebkosung wurde. Also ließen sie sich auf einer der umgestürzten
Säulen nieder, die ein Kranz prachtvoller Lilien umwuchs. Seit mehr
als einer Stunde waren sie unterwegs. Von Rosen kamen sie zu
Lilien. Die Lilien boten ihnen unschuldige Zuflucht nach ihrer
Liebeswanderung mitten durch heiße, süße Dringlichkeit des
Geißblattes, würzige Veilchen, kußfrisch duftende Verbenen,
Tuberosen, von schwächend tödlicher Wollust umhaucht. Die
hochstrebenden Lilienstengel errichteten einen weißen Tempel um sie, überdacht von schneeigen
Kelchen, einzig belebt von dem leichten Goldgetropf der
Staubgefäße. Und so verblieben sie in gebietender Jungfräulichkeit,
unberührt, wie bräutliche Kinder, umschlossen vom Turm der
Keuschheit, dem elfenbeinernen Turm, und vermochten noch in
zauberischer Unschuld sich zu lieben. Bis zum Abend ruhten Albine
und Sergius bei den Lilien. Hier fühlten sie sich wohl, und hier
vollendete sich ihre Geburt. Sergius vergingen die letzten Fieber,
und Albine wurde ganz weiß, von milchiger Weiße, bar jeden rosigen
Schimmers. Ihren nackten Armen, Schultern, dem nackten Hals
schenkten sie keine Beachtung mehr. Des Haares entfesselte Blöße
erregte sie nicht. Aneinandergeschmiegt lachten sie hellauf und
erfrischten sich in der Umarmung. Ihre Augen bewahrten

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