Die Sünde in mir
was Papa ihr gibt, ist sofort wieder blutig und irgendwann geben sie es auf.
Papa setzt mich hinten ins Auto und sagt, ich soll bloß den Kopf unten halten und mir das Handtuch, das er mir gibt, dagegen drücken. Er will auf keinen Fall Blut in seinem Auto haben. Ist ja auch klar. Man kann ja das Auto von innen nicht waschen.
Während der ganzen Fahrt schimpft er, wie dämlich man denn sein müsse, um von einer Schaukel zu fallen und dass ich das ja ausgerechnet dann machen müsse, wenn er alleine zu Hause sei.
Im Krankenhaus müssen sie mich mit vielen Leuten festhalten, weil ich Angst habe und nicht liegen bleiben will. Aber sie legen mich auf den Bauch und halten mich so fest und Papa sagt, dass er mich nicht wieder mitnehmen wird, wenn ich nicht endlich mit dem Theater aufhöre. Da bleibe ich dann stillliegen, aber sie lassen mich trotzdem nicht los.
Ein grünes Tuch wird über meinen Kopf gelegt. Darunter kann ich wenigstens weinen. Das sieht ja keiner.
„Du warst aber tapfer“, sagt eine Krankenschwester, die mir einen Lutscher in die Hand drückt. „Fünf Stiche und du hast kaum geweint.“
Das stimmt ja nicht, aber vielleicht hat sie es nicht gesehen. Ich war ja auch unter dem Tuch versteckt.
„Ist mein Papa noch da?“, frage ich bange.
Als sie mich in den Warteraum bringt, bin ich ganz schön froh meinen Vater zu sehen. Er sieht immer noch brummelig aus, aber wenigstens nimmt er mich wieder mit.
Kapitel 28
Frank hatte um eine Unterredung mit Professor Wieland gebeten. Sie trafen sich sowieso jeden Mittag, um sich über die Patienten auszutauschen, aber so lange wollte der Assistenzarzt heute nicht warten.
„Was gibt es denn so Dringendes?“, wollte Wieland wissen. Er war offenbar in Eile, denn er setzte sich nicht einmal hin.
„Es geht um Nicole Schütz. Ich wollte mit Ihnen über die Medikation reden.“
„Und das hatte keine Zeit bis heute Mittag?“, wunderte sich der Professor.
Frank Fabian schüttelte energisch den Kopf.
„Ich möchte, dass die Medikamente sofort abgesetzt werden“, verlangte er.
„Wie bitte?“, Professor Wieland setzte sich jetzt doch. Er tippte etwas auf der Tastatur des PCs und las dann am Monitor die Medikation der Patientin ab.
„Das ist bisher alles Standard. Warum wollen Sie das ändern?“
Frank wusste, dass Professor Wieland Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen war. Bei einem strengeren Vorgesetzten, der auf Altbewährtes pochte, hätte seine Idee vermutlich nicht gefruchtet.
„Ich denke, dass sie die Zeit, in der sich ihre Psyche gerade befindet, braucht“, begann er vorsichtig.
Nachdenklich legte der Professor den Kopf schief.
„Sie hat sich in diese Zeit geflüchtet. Ich vermute, dass Sie einfach eine Pause brauchte. Wenn wir ihr diese nicht gönnen, kann sie sich nicht erholen.“
„Moment“, unterbrach Wieland den Redefluss des jungen Arztes. Er dachte gründlich über dessen Worte nach.
„Sie wollen die Patientin also völlig ihren Wahnvorstellungen überlassen? Haben Sie den Bericht über das Baden nicht gelesen?“
Frank senkte den Kopf.
„Doch. Ich befürchte aber, sie haben da etwas missverstanden. Meine Vermutung ist, dass die Patientin ein traumatisches Erlebnis mit dem Baden verband. Sie hatte keine Wahnvorstellungen, sie hat sich nur an etwas erinnert, das ihr furchtbare Angst gemacht hat.“
„Und woher nehmen Sie dieses Wissen? Hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?“
„Leider nein. Aber ich bin wieder zu ihr durchgedrungen, nachdem sie schon dichtgemacht hatte. Wenn ich mehr Zeit mit ihr verbringen könnte, würde ich schneller Fortschritte erzielen.“
Professor Wieland seufzte und schüttelte den Kopf.
„Ich finde Ihr Engagement für diese Patientin wirklich lobenswert, aber passen Sie auf, dass Sie sich nicht zu sehr in den Fall verrennen. Sie haben noch andere Patienten, die Sie nicht vernachlässigen dürfen, nur weil Ihnen gerade dieser Fall besonders am Herzen liegt.“
„Das werde ich nicht. Ich kümmere mich um alle gleich. Können wir die Medikamente denn pausieren?“
Wieland schmunzelte über seinen Assistenten. Der junge Mann legte sich wirklich ins Zeug. Er würde einmal ein guter Arzt werden.
„Meinetwegen“, gab er nach, „Sie bekommt das Medikament ja noch nicht lange. Machen wir eine Pause und sehen, was passiert.“
Franks Augen leuchteten auf, als er sich bedankte.
„Moment noch“, hielt der Professor ihn zurück, als er sich zum Gehen
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