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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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manche fallen runter und ich muss sie noch mal aufsetzen. Kurz sehe ich zu John, ob er mir die Püppchen auch nicht wieder wegnehmen will. Aber er sitzt nur da und schaut mir zu.
    Ich halte ihm die Hand mit den Figuren hin. Sie stecken wie bunte Nägel auf meinen Fingerkuppen. Ich finde, dass das schön aussieht.
    Jetzt baue ich schnell den schmalen Gang mit den Dominosteinen und dann suche ich König und Königin aus dem Schachspiel. Erst die weißen, dann die Schwarzen. In einer Reihenfolge, die jedes Mal genau gleich sein muss, reihe ich die Püppchen hinter dem Dominogang auf. Es ist eine sehr lange Reihe. Dann nehme ich die ersten beiden, also den weißen König und die weiße Königin und lasse sie durch den Dominogang schreiten. Sie überqueren das erste Spielbrett auf dem richtigen Weg, dann das Zweite und so weiter, bis sie ganz vorne bei Mensch Ärgere Dich Nicht angekommen sind. Dort lege ich sie hin. Geschafft! Jetzt nehme ich die nächsten Beiden. Sie folgen ihren Vorgängern, bleiben aber stehen.
    „Was machst du denn da bloß?“, fragt John, der mir die ganze Zeit zugesehen hat.
    „Ich spiele Beerdigung“, sage ich.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 54
    Früher
     
     
    „Darf ich jetzt meine Mama anrufen?“, bettele ich. Schließlich habe ich alles gemacht, was Wolf verlangt hat, obwohl es ekelig war.
    Er nickt und geht mit mir zum Telefon. Ich freue mich schon darauf, Mamas Stimme zu hören. Wolf nimmt den Hörer hoch. Das Telefon ist hier grün. Unseres zu Hause ist orange.
    „Weißt du denn eure Nummer?“
    Ein riesiger Schreck durchfährt mich und meine Beine werden weich. Welche Nummer? Ich weiß keine Nummer. Wolf grinst, als wenn ihm das spaßmachen würde. Wenn ich ihn ansehe, wird mir gleich wieder schlecht.
    „Keine Sorge. Ich kann das in deiner Akte nachsehen“, sagt er und ich atme erleichtert auf. Jetzt habe ich schon gedacht, ich kann doch nicht mit Mama sprechen.
    „Es ist verboten in den Akten nachzugucken, weißt du?“, fragt er. Ich schüttele den Kopf.
    „Wenn ich das für dich mache und mich erwischt jemand, dann bekomme ich richtig Ärger“, erklärt er mir. Ich bekomme wieder so ein flaues Gefühl im Magen.
    Will er es doch nicht machen? Ich senke den Kopf und die Tränen schnüren mir schon wieder die Kehle zu.
    „He“, sagt er und küsst mich auf die Stirn, „ich mache das für dich. Ich sehe doch, wie du deine Mama vermisst. Er legt die Arme um meine Schultern und ich würde am liebsten wegrennen.
    „Aber wenn wir angerufen haben, musst du mit mir das Murmelspiel spielen, okay?“
    Ich weiß gar nicht, welches Spiel er meint, aber ich nicke. Wenn ich Mama sprechen kann, spiele ich danach jedes Spiel mit ihm.
    Wolf sagt, dass ich warten soll und geht aus dem Zimmer. Mir klopft das Herz bis zum Hals. Ich kann es dort fühlen. Was ist, wenn Wolf erwischt wird? Er macht das nur für mich! Was ist, wenn er Ärger bekommt? Hoffentlich ist er bald wieder da.
    Es dauert ewig, aber dann ist er zurück und hält einen Zettel in der Hand.
    „Hier steht deine Nummer drauf“, sagt er triumphierend. Gleich werde ich mit Mama sprechen! Ich freue mich schon so. Beinahe habe ich vergessen, wie ihre Stimme klingt. Wolf wählt und ich zappele nervös herum. Es tutet, das kann ich bis zu mir hören. Niemand geht ran. Wolf wartet noch eine ganze Weile, aber dann legt er auf.
    „Scheint keiner zu Hause zu sein“, sagt er.
    Ich bin so enttäuscht, dass die Tränen wieder fließen. Verloren stehe ich da und weiß nicht, was ich machen soll. Am liebsten würde ich mich unter der Decke verkriechen und weinen.
    Wolf legt seine Hand auf meine Schulter und streichelt meinen Hals.
    „Jetzt spielen wir das Spiel“, sagt er.
    Ich will protestieren, weil ich ja gar nicht mit Mama gesprochen habe, aber ich glaube, er will das unbedingt spielen. Und er hat ja die Nummer geholt. Dafür, dass niemand zu Hause ist, kann er ja nichts.
    „Schau mal hier“, sagt Wolf und hält mir eine Handvoll Glasmurmeln hin. Solche kenne ich von zu Hause. Wir haben immer Kuhlen in den Sand gemacht und versucht dort mit den Murmeln hineinzutreffen.
    „Hast du schon einmal ein Zäpfchen bekommen?“, fragt Wolf.
    Ich nicke. Mama hat mir einmal ein Fieberzäpfchen gegeben, als sonst nichts geholfen hat. Aber was hat das mit dem Spiel zu tun?
    Wolf sagt, dass ich mich hinlegen soll. Die Murmeln klackern in seiner Hand aneinander.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 55
     
     
    Professor Wieland

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