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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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Ich kann ihn nicht festhalten.
    Auf einmal werde ich sehr traurig und Tränen fallen aus meinen Augen, auf meine Bettdecke. Ich habe den Kopf im Sitzen vorgebeugt und sehe dem Regen zu, den ich selbst produziere.
     
     
    „Leute holt die Wäsche rein! Es regnet blaue Tinte!“
     
     
    Immer wieder fallen mir solche Sachen ein. Sprüche, Lieder, Kinderspiele. Warum kann ich mich nicht an etwas Wichtiges erinnern?
    Die Frage, was mit Wolf ist, lässt mein Herz zu einem harten Klumpen schmelzen. Wolf, der Pfleger aus dem Kurheim. Ich sehe sein Gesicht so deutlich vor mir, als würde er sich über mich beugen. Deshalb ziehe ich mir die Decke über den Kopf. Das kann ich jetzt schon wieder. Aber sein Gesicht bleibt. Wolf mit seinem Kinnbart und den großen Zähnen. Wolf, der sich mit der Zunge die Lippen leckt und sie bis zum Ansatz seines Bartes herausstreckt. Ich schüttele mich.
    Wolf ist nicht mehr da. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmt mich warm.
    Wolf ist tot!
    Die Frau hat ihn umgebracht und ich habe dabei zugesehen. Das stimmt nicht ganz. Vor mir selbst kann ich es ja ruhig zugeben. Ich habe nicht nur zugesehen, ich habe sie angefeuert. Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht aufhören darf, bevor er ganz sicher tot ist.
    Die Bösen stehen immer wieder auf, hat Sabine gesagt. Wolf musste richtig tot sein! Er durfte nie wieder aufstehen!
    Jahrelang habe ich mich vor ihm gefürchtet! Nachts hat er mich im Traum besucht und Tags auf der Straße verfolgt. Er war überall und er hat mir alle weggenommen, so wie er es angedroht hatte. Hätte ich doch nur Karin nichts erzählt!
    Wolf hat Oma geholt, und Tanja. Er hat Sabine weggelockt und sogar Papa mitgenommen. Kurz flackert das schwache Bild der glücklichen Familie unter dem Weihnachtsbaum wieder auf.
    Die wollte er auch wegnehmen! Jetzt weiß ich es wieder. Mein Herz schlägt ganz schnell vor Aufregung. Es hat eine andere Familie gegeben, die ich vor Wolf beschützen musste.
    Er stand auf einmal in der Küche, ganz plötzlich! Ich habe das Einzige getan, was ich tun konnte, denn er durfte nicht noch einmal die Oberhand gewinnen. Ich wusste, was immer ich auch tat, ich musste schneller sein als er und ich war schneller. Ich erinnere mich nicht an alles, aber ich spüre das warme Blut über meine Hände laufen, sein Blut. Mit jedem Schlag, der ihn trifft, geht es mir besser. Er liegt am Boden und ich bin über ihm. Er röchelt. Dieses Gesicht! Ich musste es zerstören, musste sicher sein, dass er nicht mehr aufsteht. Wolf war das Böse!
    Doch jetzt ist er ja tot. Beruhigt lasse ich mich wieder ins Kissen sinken. Tot sein hat mir mein Cousin erklärt. Ich hoffe, Wolf liegt jetzt auch schon in so einem Sarg drin!
    Dann fallen mir die anderen wieder ein, die angeblich auch tot sind. Tanja nicht, die ist jetzt bei ihrem richtigen Papa. Aber woher soll ich wissen, ob das stimmt? Ich bin ganz durcheinander. Sicher hat Wolf sie irgendwo versteckt! Auch Oma, Sabine und Papa habe ich nicht tot gesehen. Nur die Särge und die Gräber. Woher soll ich wissen, dass sie wirklich dort drin liegen? Ich glaube es nicht! Wolf hat sie alle irgendwo versteckt und nun kann er es mir nicht mehr sagen. Verzweiflung packt mich. Ich muss sie finden!
     
    Als ich aufstehen will, reißen ein paar Schnüre ab, die sie an meinem Oberkörper festgemacht haben. Es ist mir egal, aber die Geräte über mir fangen an furchtbaren Krach zu machen. Sie piepen und klingeln und schrillen. Es tut weh, als eine Schnur aus meinem Handrücken gerissen wird. Blut läuft auf den Boden. Mir ist schwindelig, aber ich muss weiter. Ich schaffe es nicht mal bis zur Tür. Meine Beine gehören mir nicht und brechen unter mir weg. Leute stürmen herein. Jemand hebt mich hoch. Aber ich muss sie doch suchen gehen! Sicher warten sie darauf, dass sie jemand findet. Sie warten auf einen Retter! Warum versteht das denn niemand?!
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 87
    Früher
     
     
    Mama weint, als sie endlich wieder nach Hause kommt. Papa hält sie am Arm fest. Er schimpft, weil ich nicht zu Frau Brauer gegangen bin. Dann holt er sich Bier aus dem Keller und verschwindet im Wohnzimmer. Mama sitzt am Küchentisch und hat ihren Kopf auf ihre Arme gelegt, die wiederum auf der Tischplatte ruhen. So habe ich sie noch nie gesehen. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Verlegen stehe ich herum und gehe schließlich in mein Zimmer. Sabines Teddy liegt noch in meinem Bett. Das Bettzeug auf der Couch ist ganz

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