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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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glaube, Papa hat die mal an Karneval getragen.
    „Ich gehe jetzt zu mir rüber“, ruft Frau Brauer, „komm doch bitte nach. Ich setz schon mal die Milch auf. Dann können wir schön frühstücken.“
    „Wo ist meine Mama denn?!“, rufe ich, aber ich höre schon die Tür gegenüber zugehen. Frau Brauer wohnt auf der anderen Flurseite. Ihr Mann ist schon tot. Den kannte ich gar nicht. Mama mag Frau Brauer. Immer wenn sie etwas Neues für mich genäht hat, muss ich es anziehen und drüben klingeln, damit Frau Brauer sagen kann, wie schön sie das findet.
    Ich bleibe alleine in der Wohnung zurück. Es ist merkwürdig ruhig. Ich schalte den Fernseher an. Das darf ich eigentlich nicht alleine. Es dauert etwas, bis das Bild da ist und ich habe schon Angst, dass ich den Fernseher kaputtgemacht habe, aber er geht. Ein Mann in einem Anzug und mit einer Krawatte erzählt etwas. Ich hocke mich im Schlafanzug in den Sessel vor dem Fernseher und decke mich mit dem großen Kissen zu, das immer dort liegt.
    Nach einer Weile kriege ich Hunger und gehe in die Küche. Dort steht ja alles. Ich mache mir Toast, aber ohne den Toaster, denn den darf ich alleine nicht benutzen. Ich lege eine Scheibe Käse auf das Brot. Es schmeckt ganz gut. Das Fernsehprogramm ist langweilig, also schalte ich den Apparat aus, gehe ins Badezimmer und wasche mir das Gesicht. Dann ziehe ich mich im Kinderzimmer an. Wo Sabine nur bleibt? Ich streichle die Hasenpfoten. Sie sind ganz weich. Sicher sind die gar nicht von Emma! Papa weiß doch, wie sehr Sabine Emma gemocht hat.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 85
     
     
    „Nach dem ersten Krampfanfall, der von alleine kam, konnte sie die Hände und die Augen bewegen“, überlegte Frank laut, „warum sollte ein erneuter Krampfanfall, auch wenn er künstlich ausgelöst wird, nicht noch mehr Fortschritte bringen?“
    „Sag ich doch“, entgegnete Schwester Gisela geduldig. Der junge Arzt konnte sich immer noch nicht mit den Vorteilen der Elektrokrampftherapie anfreunden.
    „Warum wird ein Stromschlag am Herzen als lebensrettend empfunden und überhaupt nicht infrage gestellt? Etwas höher, am Kopf, sieht die Sache dann ganz anders aus!“
    „Ich bin sicher, dass die Versuche mit den ersten Defibrillatoren auch nicht so gut bei Ärzten und Angehörigen ankamen“, meinte Gisela schmunzelnd. Die Geschichte der Medizin war schon faszinierend. Heute schüttelte man über viele Dinge den Kopf, die früher gemacht wurden. Damals hatte man zum Beispiel noch keine Kenntnisse über Bakterien oder Viren und traf deshalb auch keine Maßnahmen dagegen. Es gab keine Handschuhe und kein Desinfektionsmittel. Deswegen war die Sterblichkeitsrate früher sehr hoch.
    „Hast du dir schon mal überlegt, was wäre, wenn einige Patienten hier die Wahrheit sagen und von gar keinem Wahn befallen wären?“, wollte Frank wissen. Er aß einen Keks nach dem anderen, ohne es zu merken.
    „Wie meinst du das?“
    „Na, nimm doch mal Jesus“, gab Frank ein Beispiel, „was wäre, wenn er die ganze Zeit die Wahrheit sagt? Stell dir mal vor, er wäre wirklich Gottes Sohn und auf die Erde zurückgekehrt. Früher hätte man ihn sicher verehrt und gelobt und was weiß ich. Heute denken wir, er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank und geben ihm Medikamente.“
    Gisela sah Frank gespielt erschrocken an: „Du meinst, wir haben den echten Jesus von Nazareth hier?“
    „Nein“, wehrte Frank ab. Diese Vorstellung war gruselig.
    „Aber stell dir mal vor, die Leute damals, zu der Zeit Jesu, wären schon auf unserem Wissensstand gewesen. Hätten sie den dann nicht einfach weggesperrt?“
    Gisela schmunzelte: „Du zettelst hier gerade eine religiöse Rebellion an“, meinte sie.
    „Ein paar der wichtigsten Personen der Weltgeschichte wären in der Psychiatrie gelandet“, spann Frank seine Geschichte weiter: „Cäsar, Napoleon, Hitler …“
    „Die möchte ich aber nicht hier haben!“
    Frank schmunzelte.
    „Es geht Nicole nach der EKT also besser?“, versuchte Gisela das Thema wieder in die richtige Richtung zu lenken.
    „Sie ist auf jeden Fall beweglicher, allerdings klagt sie über Kopfschmerzen und schläft sehr viel.“
    „Eine einzige Sitzung wird ja auch nicht reichen“, meinte Gisela, „ist denn schon abzusehen, wann sie zu uns zurückkommt?“
    „Nein“, Frank schüttelte den Kopf, „leider nicht. Es gefällt mir gar nicht, wie sie da auf der Intensivstation liegt. Ich hätte sie lieber wieder hier.“
    „Hast du

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