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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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zerwühlt, weil es niemand aufgeräumt und ins Schlafzimmer getragen hat, wie sonst.
    Wo Sabine wohl ist?
    Ich versuche das Laken glatt zu ziehen. Betten machen habe ich in der Kur gelernt. Aber das Bett hier ist viel größer, und wenn ich an einer Seite ziehe, wird es an der anderen knubbelig. Schließlich lasse ich es bleiben. Ich lege Sabines Teddy wieder auf ihre Seite. Vielleicht schimpft sie sonst, wenn sie wieder kommt.
    Ich liege im Bett und starre an die Decke. Sie ist mit braunen Platten beklebt, die ein Muster haben. In der Mitte ist ein großer Kringel und an jeder Ecke ein kleiner. Es ist so still. Ich höre zwar den Fernseher, aber durch die richtige Tür kann ich nicht verstehen, was sie da sagen. Es ist komisch, alleine im Zimmer zu sein. Tanja war ja immer schon im Bett, wenn ich mich hinlegen sollte. Wo sie jetzt wohl ist? Vielleicht hat sie ja wirklich einen Papa und Wolf hat sie nicht geholt. Sie war ja auch schon weg, bevor ich aus der Kur kam. Meine Gedanken wandern zu Oma und ich rolle mich ganz klein zusammen. Nicht mal das Bett ist mehr da, wo Oma mit mir drin gelegen hat. Ich weine ein bisschen. Irgendwann geht die Tür auf und ein Streifen Licht fällt herein. Mama kommt zu mir und setzt sich auf die Bettkante. Ich sehe sie nicht an. Eigentlich will ich, dass sie wieder geht.
    „Sabine … ist im Krankenhaus“, flüstert sie schließlich mit so einer komischen, rauen Stimme. Ich warte, dass sie weiter spricht, aber da kommt nichts mehr.
    „Dann schläft sie heute nicht hier?“, frage ich.
    Mama schluchzt und ich wünsche mir, dass ich nichts gesagt hätte.
    „Sie muss im Krankenhaus bleiben. Es geht ihr nicht so gut.“
    Wieder warte ich, dass sie weiter spricht. Ich bin froh, dass sie nicht gesagt hat, dass Sabine tot ist.
    „Du kannst leider nicht mitkommen, wenn wir sie morgen besuchen. Ich habe Frau Brauer gefragt, ob du bei ihr bleiben kannst. Wir sind bestimmt wieder lange weg“, erklärt Mama.
    Ich nicke. Frau Brauer ist schon ganz nett. Bestimmt spielt sie mit mir.
    „Nicole?“, fragt Mama und streichelt mir über den Kopf. Das mag ich nicht. Ansehen mag ich sie auch nicht.
    „Ich hab dich lieb“, sagt Mama.
    Ich zucke zusammen. Das sagt sie nie! Warum sagt sie das jetzt? Und warum weint sie schon wieder? Ich bin durcheinander. Muss ich jetzt auch was sagen? Eigentlich will ich nicht.
    „Es tut mir leid“, fährt Mama fort und ich will mir die Ohren zuhalten, “sicher ist es auch schwer für dich. Ich weiß, wie sehr du an Oma gehangen hast. Aber Oma war alt …“
    Ich presse mir beide Hände auf die Ohren. Das will ich nicht hören! Sie soll nicht von Oma sprechen! Dazu hat sie gar kein Recht! Ich habe doch gehört, wie Mama immer mit Papa wegen Oma gestritten hat. Sie wollte nicht, dass Oma bei uns ist. Sie wollte nicht, dass Oma bei uns übernachtet.
    „Muss deine Mutter schon wieder herkommen? Und dann noch über Nacht?“, hat Mama einmal gesagt. Ich habe es genau gehört. Mama mochte Oma nicht leiden!
    Aber Papa hat Oma wie jeden Sonntag zum Mittagessen zu uns geholt und nach dem Abendbrot wieder weg gebracht. Geschlafen hat sie ja ganz selten bei uns, meist nur an Weihnachten oder Ostern. Ich bin traurig, dass ich mich an das erste Jahr mit ihr nicht erinnern kann. Da soll sie ja hier bei uns gewesen sein und sich um mich gekümmert haben.
    Am nächsten Morgen weckt Mama mich. Sie ist schon angezogen. Papa ist auch da. Er muss wohl heute nicht arbeiten.
    „Du frühstückst bei Frau Brauer“, sagt Mama. Ihr Gesicht ist blass und die Augen kleine Schlitze.
    Frau Brauer macht mir Kakao. Dann darf ich Sesamstraße gucken. Das ist lustig. Später spielen wir Memory. Das ist das einzige Spiel, das Frau Brauer hat.
    „Das nächste Mal bringst du ein Spiel von euch mit“, sagt sie. Ich nicke. Das Märcheneinmaleins fällt mir ein. Das hat Tanja immer so gerne gespielt. Aber ich weiß nicht, ob ich das mitbringen soll. Schließlich hat noch niemand die kaputte Platte entdeckt. Außerdem werde ich dann traurig, wenn wir das spielen, weil ich an Tanja denken muss.
    „Ich hoffe, dass deine Schwester wieder gesund wird. Ich bete die ganze Zeit für sie.“
    „Zeigst du mir, wie das geht?“, frage ich.
    Frau Brauer geht zu einem Schrank und holt eine Kerze heraus. Die macht sie an. Ich schaue in die Flamme. Kerzen mag ich. Sabine hat immer Tannennadeln in die Flammen geworfen und die sind dann knisternd verbrannt. Manchmal hat sie auch ihre Nägel in das heiße

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