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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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ihm auf. Vielleicht würde … nein, es musste irgendetwas passieren, das diese grauenvolle Haft erleichtern würde. Gespannt wartete er auf den Durchbruch der Bohrung. Das Bohrgeräusch verstummte zwei-, dreimal, um dann wieder neu zu beginnen. Otte vermutete, dass der Bohrer, von seiner Pritsche aus gesehen, weit oben durch die rechte Wand kommen müsste. Wenn nicht gar durch die Decke. Könnte es sich um den Ausbruchsversuch eines Mitgefangenen handeln?
    Dann war es endlich so weit. Seine Augen starrten auf den Punkt, an dem sich zunächst ein wenig Staub löste, dann der Putz zu bröckeln begann und schließlich die Spitze des Bohrers zu sehen war. Im gleichen Augenblick wandelte sich das mahlende Geräusch in ein helles, befreiendes Pfeifen. Der Bohrer bewegte sich zweimal hin und her und verschwand dann wieder in dem kleinen, etwa zehn Millimeter großen Loch.
    Otte, der durch die grausame Isolationshaft schon nicht mehr wusste, ob er sich das Ganze nur einbildete, stellte sich vor, wie er, einem Flaschengeist gleich, durch dieses kleine Loch in die Freiheit schlüpfen könnte. Während seine Augen wie hypnotisiert auf die Bohrung starrten und er dabei wirre Fluchtgedanken hatte, sah er plötzlich etwas kleines Rundes aus dem dunklen Bohrloch kommen. Er schaute genauer hin, und dann wurde ihm klar, dass in Zukunft jede seiner Bewegungen von einer Kamera eingefangen werden würde und er nichts dagegen tun konnte, da das Objektiv für ihn unerreichbar war.
    Es verging wieder einige Zeit, bis Otte zum ersten Mal ein Dessert erhielt. Es war ein Pudding mit einem kleinen Sahnehäubchen darauf. Am liebsten hätte er es sofort hinuntergeschlungen, aber er beherrschte sich und aß zuerst die Bohnensuppe auf, in der sich einige Speckstückchen befanden. Mit ganz kleinen Portionen auf dem Esslöffel versuchte er dann, den Pudding so lange wie nur möglich zu genießen. Manchmal stellte er jegliche Bewegung seines Mundes ein. Doch schon nach kurzer Zeit, waren es zwei Minuten, zwei Stunden, er wusste es nicht, schien der Pudding in der Mundhöhle verschwunden zu sein. Speichel, der darauf drängte, hinuntergeschluckt zu werden, hatte sich breitgemacht.
    Den kleinen Plastikbecher, in dem sich das Dessert befand, leckte Otte aus. Da seine Zunge nicht bis auf den Boden des Bechers reichte, riss er ihn so weit ein, dass er auch an den letzten Rest der Köstlichkeit kam.
    Wie gewohnt wollte er danach aufstehen, um das Geschirr zur Türklappe zu tragen. Nach zwei Schritten knickten seine Beine ein. Mit einem lauten Stöhnen stürzte er zu Boden und verlor sofort das Bewusstsein.
    2
    Böhm schnaubte. »Kriminalhauptkommissar Nawrod, Sie sind ein unverbesserlicher Narr.« Der Polizeipräsident schlug mit der Faust auf seinen großen Schreibtisch. Die Halsschlagadern traten hervor. So sah man ihn selten. »Hat es Ihnen nicht gereicht, dass Sie den Leiter des Dezernats für Kapitalverbrechen ans Messer lieferten? Mussten Sie jetzt auch noch Schilling und Fichtner über die Klinge springen lassen? Wenn Sie so weitermachen, ist bald das ganze Dezernat 1 suspendiert und wir sind nach außen hin blamiert bis auf die Knochen.«
    Nawrod sah Böhm direkt in die Augen. »Neumann war ein korruptes Schwein. Das wissen Sie so gut wie ich. Er hat nur bekommen, was er verdiente. Und die anderen beiden waren seine Speichellecker, die sich genauso an dem Kuchen bedienten.«
    »Denen sind aber jeweils nur zwei kleinere Fälle nachzuweisen. Hätten Sie mir einen Ton gesagt, hätte ich mir die beiden vorgeknöpft, und ich versichere Ihnen, die wären ein für alle Mal geheilt gewesen.«
    Nawrod musste sich beherrschen, nicht laut zu werden. »Verstöße gegen das Datenschutzgesetz und Korruption respektive Bestechlichkeit sind nun mal keine Kavaliersdelikte. Da stehen bei schweren Fällen bis zu fünf Jahre Knast drauf. Und Neumann hat diesem öligen Pressefritzen nicht nur kleine, unbedeutende Informationen verkauft, sondern Interna über ganze Operationen geliefert. Oskar Malachowski wusste quasi über alles Bescheid, was hier im Präsidium lief. Man kann von Glück sagen, dass er nur einen Bruchteil davon in seinem Schmierblatt veröffentlichte.«
    »Bis jetzt, lieber Herr Nawrod, bis jetzt.« Böhm zog ein weißes Taschentuch aus seiner Hosentasche und tupfte damit seine Stirn ab.
    »Was soll das heißen?«
    Böhm hustete kurz. Die Ellenbogen auf der Tischkante aufgestützt, drückte er seine Fingerkuppen gegeneinander und schaute an Nawrod

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