Die Sünde
vorbei. »Sein Anwalt rief mich gestern an und ließ durchklingen, dass man diese äußerst delikate Angelegenheit im Interesse aller besser auf der kleinstmöglichen Flamme kochen sollte.«
Nawrod schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir dürfen uns von solchen Typen nicht sagen lassen, was wir zu tun haben und was nicht. Malachowski zahlte erhebliche Summen an Neumann und seine Vasallen. Das ist Bestechung in schlimmster Form. Diesem Pressefuzzi muss eine Lektion erteilt werden, die er sein Leben lang nicht mehr vergisst. Genauso wie Neumann, Schilling und Fichtner.«
Beim letzten Satz schlug Nawrod verärgert mit der Faust auf den Tisch. Danach stand er auf und ging ein paar Schritte hin und her. Ihn hielt nichts mehr auf seinem Stuhl, denn er ahnte schon, was jetzt kommen würde.
»Setzen Sie sich bitte, Herr Nawrod, bitte setzen Sie sich!«, wiederholte Böhm eindringlich, als Nawrod seiner Bitte nicht gleich nachkam.
Nawrod versuchte, sich zu beherrschen. Es fiel ihm schwer. Widerwillig nahm er wieder auf seinem Stuhl Platz. »Herr Böhm, Sie werden doch nicht …«
»Der Anwalt sprach unter anderem von illegalen Ermittlungsmethoden im Zusammenhang mit den Mordfällen in der Familie von Kampen«, unterbrach ihn Böhm. »Er meinte, es seien Durchsuchungen, Lauschangriffe und MEK -Einsätze ohne richterliche Beschlüsse durchgeführt worden, und das sei nicht minder zu bestrafen als die Verfehlungen seines Mandanten. Eine Untersuchungskommission müsste …«
»Aber das … das ist doch …« Kopfschüttelnd unterbrach Nawrod den Präsidenten und erhob sich abermals vom Stuhl.
»Sie wissen so gut wie ich, dass dieser Rechtsverdreher mit der Behauptung richtig liegt.« In Böhms Stimme lag Verärgerung. Dann wurde er laut: »Und jetzt setzen Sie sich wieder! Das ist ein Befehl, Kriminalhauptkommissar Nawrod!«
Nawrod atmete tief durch. Er musste sich zwingen, nicht loszubrüllen und Böhm ins Gesicht zu schleudern, was er von ihm hielt. Sekundenschnell ließ er Revue passieren, wie er in der besagten Mordserie tatsächlich ohne Durchsuchungsbeschluss wie ein gemeiner Dieb in das Haus der Familie von Kampen eingedrungen war. Oder wie er den Hauptverdächtigen mit einer in dessen Auto versteckten Wanze illegal bespitzelt hatte, und wie er zum Schluss, ebenfalls ohne irgendwelche Beschlüsse und ohne Unterrichtung seiner Vorgesetzten, mit einem Trick einen MEK -Einsatz inszeniert hatte, in dessen Folge es einen Toten und eine Schwerverletzte gegeben hatte.
Scheinbar gefasst, lehnte sich Nawrod zurück. »Pech für die Herrschaften. Die Akte befindet sich bereits bei der Staatsanwaltschaft. Da ist nichts mehr zu machen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nichts mehr für Malachowski und diese drei dreckigen Maulwürfe tun. Jetzt liegt es in den Händen der Justiz.«
Innerlich frohlockte Nawrod über diesen Umstand, denn er war der festen Meinung, dass die Mühlen des Gesetzes bereits kräftig angefangen hatten zu mahlen und durch nichts und niemanden mehr aufzuhalten waren. Neumann und Konsorten würden zur Rechenschaft gezogen werden. Dessen war er sich sicher. Andererseits wusste er auch, dass es ihm an den Kragen gehen konnte, wenn dieser Anwalt Ernst machen und ihn wegen diverser Dienstvergehen anzeigen würde. Aber schließlich hatte er durch seine – zugegebenermaßen nicht ganz legalen – Methoden eine Serie von sieben Morden aufgeklärt. Jeder halbwegs vernünftige Mensch würde ihm das zugutehalten, wenn es hart auf hart kommen würde.
»Ich hatte gestern mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft Stuttgart und dessen Vertreter eine sehr lange Unterredung, bei der es ausschließlich um diese Sache ging«, sagte Böhm jetzt plötzlich in gespielt sachlichem Ton.
»Nicht zuletzt auch zu Ihrem Schutz kamen wir überein, dass die Verfahren gegen Malachowski, Fichtner und Schilling nach Zahlung einer angemessenen Geldbuße eingestellt werden. Die beiden Kollegen werden in den Streifendienst der Schutzpolizei zurückversetzt und verrichten ihren Dienst zukünftig bei der Polizeidirektion Ravensburg.«
Nawrod überlegte kurz. Das war zwar nicht in seinem Sinne, aber damit konnte er leben, so ärgerlich es für ihn auch war.
»Und was ist mit Neumann?«
»Was diesen Kollegen betrifft, ließen die Herren Staatsanwälte nicht mit sich handeln. Neumann bleibt bis zu einer noch nicht terminierten Hauptverhandlung suspendiert. Man rechnet damit, dass er eine empfindliche Strafe erhalten wird und danach
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