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Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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aufgegangen und die farbigen Sonnenstrahlen, die durch die Buntglasfenster drangen, erfüllten sie mit trügerischer Ruhe.
Wäre ihr Gesichtsausdruck nicht so verhärmt gewesen, hätte sie eine Schönheit sein können, mit den honigblonden Haaren und den warmen, braunen Augen, die trotz des vielen Weinens nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt hatten.
    „Lieber Gott, warum hast du mich verflucht?“, wisperte sie mit erstickter Stimme und hob zum hundertsten Mal ihren Blick zum Holzkreuz an, auf dem die Christusstatue sie zu verhöhnen schien.
    Er hatte ihr die letzte Zuflucht genommen, als er nach einer heftigen Auseinandersetzung behauptet hatte, der Sohn Gottes wäre einer von ihnen gewesen. Marga hatte darüber vollkommen die Beherrschung verloren, da sie es als Blasphemie empfand, ihn so blasphemisch von ihrem felsenfesten Glauben sprechen zu hören. Alles in ihr sträubte sich, auch nur ein Wort seiner Lügen zu glauben, doch etwas in seinen Augen hatte sie innerlich zu Eis erstarren lassen.
    „Lügen, Lügen, alles LÜGEN!“, krächzte sie und ihre feingliedrigen Hände umklammerten das Kruzifix noch fester.
    „Mein liebes Kind… Was quält dich dermaßen, dass du Nacht für Nacht hierher kommst?“, flüsterte eine tiefe Stimme neben ihr, die leicht akzentgeschwängert klang, aber das war kein Wunder, da hier in der Gegend viele Auswanderer aus Osteuropa lebten und es noch genug Nachzügler gab, die die Landessprache erst noch lernen mussten.
    Die junge Frau drehte den Kopf in seine Richtung und sah sich mit einem Mönch konfrontiert, der seine Kapuze abgezogen hatte. Er hatte dunkles, von grauen Strähnen durchwirktes Haar, braune Augen, die von Lachfältchen umgeben waren und war etwa Mitte vierzig. Seine Augen blickten wissend und voller Verständnis und schienen einem die Erlösung von allen Sünden zu versprechen.
    Marga presste die zitternden Lippen zusammen und dann brach der Kummer aus ihr heraus. Sie hatte bisher nicht gewagt, mit ihrem Priester darüber zu sprechen, da sie fürchtete, man könnte sie aus der Gemeinde verstoßen, die ja ihre einzige Zuflucht war. Oder schlimmer noch, sie für verrückt erklären oder von Dämonen besessen halten.
Die warmen Hände des Fremden umfassten ihre kalten Finger und hielten sie tröstend umfasst, während sein Blick Freundlichkeit und Mitgefühl ausdrückte. Er sprach ihr immer wieder Mut zu, wenn ihr die Worte auf den Lippen ersterben wollten. Es tat so gut, diese Last endlich mit jemandem zu teilen, der sich nicht voller Entsetzen von ihr abwandte.
    „Vampire werfen keine Schatten, weil ihr Abbild eine Beleidigung Gottes ist!“, sprach der Mönch mit unheilvoller Stimme, als sie ihren Bericht beendet hatte.
    Marga starrte ihn aus großen Augen verständnislos an, weil sie das Wort niemals in den Mund genommen hatte. Andersartigkeit, von der Hölle gesandt, Kreatur des Teufels, aber niemals das Wort Vampir. Sie erschauerte bis ins Mark.
    „Woher… Woher wissen Sie davon?“, wisperte Marga ängstlich. Sie hinterfragte seine Behauptung nicht, da er nur ihrem Irrglauben Nahrung gab. Sie musste Malakai als Monster wahrnehmen, ansonsten würde sie wohl niemals von ihm loskommen.
    „Du bist nicht das erste Kind Gottes, das ihnen zum Opfer fällt! Sie sind des Teufels und leben unter uns. Streuen ihre Saat in gute Frauen, um sich der Welt zu bemächtigen! Ich bekämpfe sie seit Jahren! Nimm es als Fingerzeig Gottes, dass ich heute Nacht in dieser Kirche Zuflucht gesucht habe! Ich kann dir helfen, mein Kind!“
    Marga hing an seinen Lippen und ihr Gesicht erhellte sich hoffnungsvoll, weil sie es allein niemals schaffen würde, sich von Malakai loszusagen. Und von ihren Eltern konnte sie keine Hilfe erwarten. Sie waren alt und würden ihr niemals glauben. Sie fanden es einfach nur schändlich, dass sie schon zwei uneheliche Kinder geboren hatte.
    „Ja… bitte, ich brauche Hilfe!“
    Marga ließ sich die Tränen von dem Fremden trocknen, der einfach so ihr Vertrauen gewonnen hatte. Es blieb nicht bei diesem ersten Treffen in der Kirche. Es gab Anrufe und heimliche Stelldicheins, die Marga immer sicherer machten, dass dieser Fremde ihr von Gott gesandter Retter war… Ihr Erlöser von allen Sünden!

    Romy nahm fassungslos an den Geschehnissen vor über zwanzig Jahren teil. Ihre Mutter immer wieder in Ausschnitten zu sehen, machte ihr deutlich, auf welchem schmalen Grat des Wahnsinns sie gewandert war. Sie hatte einem wildfremden Mann vertraut,

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