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Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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paar Mal tief durch und debattierte innerlich mit sich selbst, ob sie diesen Schritt wirklich wagen sollte. Sie konnte die Begegnung zwischen Nico und ihrem Vater einfach nicht vergessen, den sie selbst nur als schockierende Erinnerung kannte. Sie hatte noch nicht gänzlich mit dem Drama ihrer Kindheit abgeschlossen. Sie wollte für sich selbst wissen, was genau damals schief gelaufen war. Natürlich hätte sie wohl auch Nico um Hilfe bitten können, doch sie hatte in den letzten Wochen schon genug mitgemacht, so dass Romy ihr nicht noch weitere Schreckensvisionen zumuten wollte. Es wäre nicht fair gewesen, wenn sie selbst Fähigkeiten besaß, die sie einsetzen konnte. Sie konnte die Psychometrie immer besser beherrschen, seitdem sie umgewandelt worden war.
    Der Anblick der gegossenen Betonmauer war ziemlich trostlos. Irgendwie hatte sie ein Bild von einer verwitterten moosbewachsenen Mauer und einem schmiedeeisernen Tor gehabt. Oder gar einer großzügigen Grünfläche, die von Laubbäumen beschattet wurde. Das war hier wohl die neumodische Version eines Armenfriedhofes. Romy verzog das Gesicht und stieg dann von ihrer Maschine ab, den Schlüssel steckte sie in die Gesäßtasche ihrer Jeans und den Helm ließ sie darauf liegen. Zu dieser nächtlichen Stunde würde sich wohl kaum jemand hierher verlaufen.
    Romy ging die Mauer entlang, während sie sich vor ihrem inneren Auge den Lageplan des Friedhofes vorstellte. Parzelle 264/7. Sie war noch nie hier gewesen und hatte bisher auch nicht gewusst, wo genau ihre Mutter begraben lag. Ihre behandschuhten Fingerspitzen glitten über das raue Material der Abgrenzung, das so zerklüftet war, dass sie sich wohl die Finger aufgerissen hätte, wären sie nicht geschützt gewesen. Ihr Atem ging schneller und ihr Herzschlag beschleunigte sich, weil sie eine Welle der Nervosität ergriff, die sich nicht eindämmen konnte. Sie presste die Lippen entschlossen zusammen und setzte dann mit einem Satz über die hohe Mauer, die das trostlose Gelände umgab. Der Mondschein sollte eigentlich dafür sorgen, dass die Szenerie mit einem schmeichelhaften Glanz überzogen wurde, doch die nackten Grabsteine und die einsamen Holzkreuze sahen in dem fahlen Licht nur noch armseliger aus, als sie das bei Tag taten.
    Dagegen war Potter’s Field, der Armenfriedhof auf Hart Island, der reinste Erlebnispark, auch wenn die Vorstellung, dass man dort Kinderleichen anonym in kleine Kisten zu Fünfen übereinander stapelte, einem einen kalten Schauer über den Rücken jagen konnte. Hier wurden die Gräber sicher auch von Strafgefangenen ausgehoben, als verdienten die Toten nicht die letzte Ehre, weil sie kein Geld besaßen oder sich in ihrem Leben Verfehlungen geleistet hatten, die sie die Würde eines anständigen Begräbnisses kostete.
    Es war eine laue Sommernacht und doch fröstelte Romy in ihrer leichten Lederjacke, die sie über ihr T-Shirt gezogen hatte. Marga hatte sich einfach in die Flammen fallen lassen… Hatte sie wirklich Selbstmord begangen? Es konnte doch auch sein, dass sie auch noch ihre Eltern retten wollte. Seitdem Romy diese Visionen gehabt hatte, stellte sie sich immer wieder die Frage, was falsch gelaufen war. Warum hatte sie Malakai nicht nachgeben können?
    Rys hatte so eine hohe Meinung von ihm und die Chroniken sprachen dem einstigen Krieger große Taten zu. Er konnte doch kein schlechter Mensch gewesen sein. Trotz ihrer Unwissenheit hatte sie selbst nicht so lange standhaft bleiben können. Zuerst war ihr Körper dann ihr Herz schwach geworden. Wie brachte man es fertig, einen Mann so lange auf Abstand zu halten, dem man so starke Gefühle entgegen brachte? Und Malakai verfügte scheinbar über ein viel offeneres Wesen als Rys oder Theron. Nico war zutiefst von ihm beeindruckt gewesen und sie reagierte meist heftig auf sehr herzliche Menschen.
    Romy konnte manchmal einfach nicht anders, sie verfiel in sentimentale Stimmungen, während sie an Rys dachte, der ein beständiger Teil ihres wachen Bewusstseins war. Und dabei hielt sie sich für eine Frau, die solcher Gefühlsduseleien eigentlich nicht fähig war. Sie konnte nur Gott danken, dass Rys ein nüchterner Charakter war, der sie mit seinem Verhalten oft genug auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Sie verspürte manchmal wirklich den Drang, ihm einen Kinnhaken zu verpassen, wenn er wieder anmaßend wurde und seine Arroganz allzu sehr heraus hängen ließ. Aber dennoch war da dieses brennende Gefühl in ihrem Herzen, das

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