Die Suenden der Vergangenheit
wollte.
„Ich habe keine andere Wahl, Marga, wenn du dich von deinen Eltern verleugnen lässt! Ich wollte nur kurz die Kinder sehen“, sagte er leise, wobei sich sein grüner Blick beinahe anklagend in ihre weit aufgerissenen braunen Augen bohrte.
Marga sah ihm dabei zu, wie er ihre Tochter in ihr Bett zurück legte und ihr beim Zudecken eine kleine Geschichte erzählte. Sie ertappte sich dabei, wie ihr Gesichtsausdruck weicher wurde und seine Stimme ein warmes Gefühl in ihrer Magengrube auslöste. Sie drehte sich weg und tat so, als müsste sie die kleine Rebeka noch einmal zudecken, obwohl sich das Kleinkind nicht mehr rührte, weil es tief und fest schlief. Sie war ihr ein und alles, weil sie ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war. Romana dagegen ähnelte ihrem Vater. Immer wenn sie ihrer Tochter in die Augen blickte, meinte sie sich mit Malakai konfrontiert zu sehen.
Als sie spürte, wie er hinter sie trat und seine Körperwärme langsam wie ein schützender Mantel auf sie überging, schloss sie die Augen und empfand einen brennenden Schmerz in ihrem Herzen. Seine Hitze übertrug sich auf sie und heiße Flammen schienen in ihrem Unterleib zu brodeln, als er seine Hand auf ihre Schulter legte. Eine vollkommen unschuldige Geste und doch konnte sie sich nicht gegen die aufsteigenden Gefühle wehren, die er nur durch seine Nähe in ihr auslöste. Sie drehte sich um und schlang ihre Arme um seinen Hals, hob das Gesicht zu ihm an und ließ es zu, dass er sie küsste.
Unanständig! Böse!
Während ihr Körper seinem Ansturm sofort nachgab, bäumte sich ihr Verstand gegen ihn auf, unterstellte ihm, sie zu beeinflussen, weil das in seiner Macht stand. Das gab ihr die Kraft, sich von ihm zu lösen und ihm eine schallende Ohrfeige zu geben, die ihn zurück taumeln ließ, obwohl er viel zu stark war, als dass sie ihm auch nur ein Haar hätte krümmen können.
Kein Laut kam über seine Lippen, weil er die Kinder nicht wecken wollte, doch seine Augen blitzten gespenstisch rot in dem dämmrigen Zimmer auf, so dass Marga einen Schritt vor ihm zurück wich und das Kreuzzeichen mit ihrer Hand machte, als wollte sie das Böse abwehren.
„Wie du wünscht, Marga! Ich komme wieder! Ich habe ein Recht, meine Kinder zu sehen! Und ich möchte diese Sache nicht vor ein weltliches Gericht bringen müssen. Wie lange noch, Marga?! Wie lange willst du diese Qualen noch hinziehen?“
Die Glut seiner Augen war verloschen und es blieb nur noch tiefe Traurigkeit zurück, bevor sich der Mann vor Margas Augen in Luft auflöste. Es war, als wäre er niemals in dem Zimmer gewesen und doch prickelte ihre Haut noch Stunden nach dem Vorfall und sie fand keinen Schlaf sondern wälzte sich nur unruhig in ihrem leeren, kalten Bett.
„Papi…“, flüsterte Romy mit ersterbender Stimme und unterdrückte das Schluchzen, das in ihrer Kehle feststeckte. Diese Art der Antworten war grausam. In diesen Momenten hasste sie ihre Mutter mehr denn je. Sie hätte nur einen kleinen Schritt auf Malakai zugehen müssen. Sie hatte ihn doch geliebt, das hatte Romy in ihrem Blick gesehen, in ihrer Haltung, als ihr Vater hinter ihr gestanden hatte. Sie hatte zwei Kinder mit ihm und trotz seiner Übermacht hatte er seine Kräfte niemals gegen sie eingesetzt. Ein Mann von starken Prinzipien, der ein solches Verhalten nicht verdiente.
„Was hast du getan, Marga? WAS?! Du hast mir alles genommen! Alles, was du mir hinterlassen hast, sind Selbstzweifel und Ängste! Wie soll ich das Bekky jemals begreiflich machen? Ich stehe mit leeren Händen da! Warum? Warum?!“
Romy spürte die Tränen auf ihren Wangen nicht, weil sie sich mit den Regentropfen vermischten. Sie krallte ihre Finger zusammen und hatte mit einem Mal den unbändigen Wunsch, die Erde aufzureißen, um die morschen Knochen der Toten in alle Winde zu zerstreuen. Der Sturm, der in ihrem Inneren tobte, war schmerzhaft, weil sie so lange Jahre damit zugebracht hatte, ihre Wunden zu schließen, die nun alle wieder aufbrachen.
° ° °
Die zitternden Hände der jungen Frau ließen die stumpfen Perlen eines abgenutzten Rosenkranzes immer wieder durch ihre Finger gleiten, während ihre tauben Lippen leise Gebete herunterrasselten. Sie kniete auf der hintersten Kirchenbank und hielt das Haupt gesenkt, auf dem ein schwarzes mit Spitzen verziertes Tuch lag, das sie von ihrer Mutter zu ihrer Firmung geschenkt bekommen hatte.
Sie betete schon seit Stunden um himmlischen Beistand. Die Sonne war gerade
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