Die Suenden der Vergangenheit
fast panisch den Kopf in beide Richtungen, um nachzuprüfen, ob er schon in der Nähe war. Sie sah sich mit den verständnislosen Blicken ihrer Freundinnen konfrontiert und wandte sich von ihnen ab, um Damon beinahe flehend anzusehen. Er sollte sie wegbringen, bevor sie vollkommen die Kontrolle verlor.
Ihr Kopf fiel erneut gegen Rys’ Brust und ihre Beine gaben unter ihr nach, so dass sie einfach in sich zusammen sank.
„…Nicht… Theron… Ich muss… gehen…“, murmelte sie unverständlich vor sich hin, bevor sie die Augen verdrehte. Sie verlor nicht vollkommen das Bewusstsein, es war einfach ein heftiger Schwächeanfall, der durch ihre Ängste verschlimmert wurde.
Nathan betrachtete die jungen Frauen kritisch. Er stand sogar vom Sofa auf, das ihm zu klein geworden schien für sich und die anderen. Ihre unmittelbare Nähe und die verschiedenen Gefühle, die heillos durcheinander wirbelten und Chaos in diesem picobello aufgeräumten Wohnzimmer anrichteten. Bis zum Auftauchen der Sophora hatte Nathan geglaubt, es würde sich alles wieder einrenken, die Freundinnen ihre Freundschaft noch tiefer besiegeln und der Zusammenhalt untereinander noch größer werden. Doch nichts war so einfach, wie es schien.
Er fügte jedes Detail seiner Erinnerungen, der von Romy und schließlich die Aussage der vollkommen durcheinander wirkenden Nicolasa wie ein Puzzle in seinem Kopf zusammen. Etwas stimmte nicht und als Nico vor Panik förmlich aus der Fassung zu geraten drohte, wusste er, dass sie irgendeine gravierende Kleinigkeit verschwieg. Um sowohl Romy als auch seinen Anführer zu schützen.
Nathan grollte leise und ein Ausdruck der nichts Gutes ahnen ließ, huschte über sein Gesicht. Er wusste, dass sie log. Aber es war nicht seine Sache, Aufklärung zu leisten. Das was Cat und Romy fehlte, nämlich ebenfalls zu ahnen, was in Nico wirklich vor sich ging, wurde ihm wie ein Schlag in die Magengrube oder in einer tieferen Region serviert. Nico sprang auf und wollte förmlich vor ihnen allen flüchten. Nein, nicht vor allen. Nur vor einem. Nathan sandte einen mentalen Wink an Theron und bat ihn, nein, sein Gedanke klang doch eher wie ein Befehl, da er das Bitte außen vor ließ, zu ihnen zu kommen. Er wollte ein für alle Mal Klärung in diesem Spektakel. Vollmond stand an und die neu umgewandelten Breeds würden schon mit der Affectio genug zu kämpfen haben.
Diese Andeutungen, die unheilschwanger über allem lagen, waren nichts für ihn. Sie machten krank, schürten Ungewissheit und säten Zweifel. Romy war auf den Friedhof gefahren, um Antworten zu bekommen. Die von Theron fehlten ihr. Niemand würde Chryses’ Wohnung vorher verlassen. Auch Nico nicht.
„Scheiße Mann, bring sie das nächste Mal erst hierher, wenn sie bei Kräften ist, Archer!“
Nico wimmerte in seinen Armen und Rys gab sie an Damon weiter. Mit der klaren Anweisung, in sein Schlafzimmer nebenan zu gehen und sie trinken zu lassen. Und zwar solange, bis ihre Wangen rosig und Damon wie eine wandelnde Leiche aussah. Nur damit sie sich hier richtig verstanden hatten.
Chryses war jetzt mächtig sauer und er wollte von der halb ohnmächtigen Sophora kein Wort des Protestes hören. Damon sagte nichts. Sein Bruder hatte Recht. Nico allerdings auch. Sie war schließlich nicht in der Lage gewesen, sich neue Kraft zu holen, weil ihr die Vision diesmal mehr als übel mitgespielt hatte.
„Wir sind gleich wieder da.“, murmelte er betreten in der Zwickmühle steckend, während er versuchte Nico durch Berührungen und leisen Beschwichtigungsworten zu beruhigen.
„Wo ist mein...“
„...Bruder? Ich habe ihm schon Bescheid gesagt.“ Nathan fiel Rys ins Wort, bevor dieser seine Frage auch nur zu Ende formuliert hatte und tippte sich hinweisend an die linke Schläfe. Die Scherben zu Chryses Füßen sammelten sich wie von Geisterhand zu einem Haufen und hoben ab in die Luft.
Nathans Augen glühten noch heller und er ließ das zerstörte Porzellan in die Küche zurückschweben. Nur mit seinen Instinkten tastete er sich den Weg bis dorthin und ließ es mit einem energischen Krachen im Abfall verschwinden. Es war aufgeräumt, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Eine gute Art, sich zu beruhigen.
Das brachte ihn wieder auf ein normales Level zurück, obwohl er unbewusst lieber zerstört als sauber gemacht hätte. Er wusste nur nicht, warum genau.
"Gut.", grollt Rys angestochen zurück. "Die Nacht währt schließlich nicht ewig."
Womit er dasselbe meinte
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