Die Suenden der Vergangenheit
zurechtgelegt hatte.
Sein Kopf senkte sich und er erinnerte sich daran, wie er selbst auf den Boden gefallen war, weil er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Sein eigenes Blut floss nun in die Erde, als wollte sie sich davon nähren. Die Sonne ging in einem prächtigen Farbenspiel auf, das seine Augen ungläubig hinauf in den Himmel starren ließ. Er konnte auf keinen Fall einen der Krieger rufen und schon gar nicht seinen Bruder. Rys verehrte seinen Onkel über alle Maßen, wie sollte Theron ihm erklären, was sich hier abgespielt hatte?
„THERON!“
Der spitze Schrei einer Frau dröhnte in seinen Ohren und er dachte, er würde sich das blasse Frauengesicht, das über ihm schwebte, nur einbilden. Doch dann füllte sich sein Mund mit einer warmen, nährenden Flüssigkeit. Er hörte leises Weinen und eine gewisperte Unterhaltung, dann waren ihm die Sinne trotz der Blutspende geschwunden. Hinterher hatte er erfahren, dass seine Mutter und das Orakel zu ihm gekommen waren, um ihn zu retten…
Ron sog scharf die Luft ein und atmete dann ein paar Mal tief durch, um die Kehle irgendwie frei zu bekommen. Es war die reinste Folter, die er sich hier antat, aber es musste sein. Wenn er das nächste Mal seinem Bruder gegenübertrat, dann musste er fähig sein, über die Vorkommnisse von damals zu sprechen, ohne daran zu ersticken. Er hätte wissen müssen, dass er sein Schweigen nicht mehr länger aufrechterhalten würde können, nachdem Nico von Malakais Geist aufgesucht worden war. Hatte er Frieden gefunden?
Ron verblieb in der gehockten Haltung und hing den blutigen Erinnerungen nach, ging jedes Detail durch, als könnte er dann den einen Fehler festmachen, den er gemacht hatte, der alles andere ausgelöst hatte. Irgendwie stolperte er immer wieder über Margas Verrat, den er nicht fassen konnte und der nicht half, seine schlechte Meinung über Frauen zu verbessern.
Sie hätte Malakais Leben geopfert, nur um ihre eigene Schwäche zu verschleiern. Sein ehrenhafter Onkel hätte sich der Frau niemals aufgedrängt oder Gewalt angewendet. Sie hatte ihn immer wieder in ihr Bett gelassen. Malakai konnte man nur vorwerfen, dass er blind vor Liebe gewesen war.
Das würde ihm niemals passieren!
° ° °
Rowtag, die zusammen mit ihren Welpen vor dem großen Kamin im Schein des knisternden Feuers schlief, horchte auf. Sie spitzte die Ohren und gab ein leises Knurren von sich, noch bevor irgendeiner der installierten Bewegungsmelder überhaupt ausgeschlagen hatte. Tiponi, die im Schneidersitz auf einem bequemen Sessel saß und gerade einen ihrer besonderen Traumfänger mit Türkisen schmückte, hielt inne und horchte ebenfalls.
„Da ist jemand auf dem Grundstück.“
Kurz tauschte sie mit ihrer Hündin einen wissenden Blick. Rowtags Knurren wurde ein leises Fiepen. Tiponi legte ihre Handarbeit, mit der sie sich von den Wirren des nahenden Vollmonds abzulenken und bis Tagesanbruch wach zuhalten gedachte, beiseite und sprang behände auf. Ihr Schwert lag immer in Reichweite. Der Umhang, in dem sie sich in der Dunkelheit zusätzlich zu tarnen pflegte, hing ordentlich an der Garderobe im Flur.
Tiponi nahm in fließend lautlosen Bewegungen die Waffe auf und löschte mittels ihres Willens die Lichter. Das Feuer brach knackend in sich zusammen und zurück blieb nur heiße Glut, die sie jederzeit wieder zum Brennen bringen würde. Wenn da draußen nur ein wildes Tier war, war sie schnell zurück. Sollte es sich dagegen um einen ihrer Feinde handeln, dann konnte die Sache durchaus länger dauern. Die Zeit arbeitete nicht gerade für sie. Bis zum Sonnenaufgang dauerte es noch ein paar Stunden. Wenigstens hatte sie keine Schwierigkeiten, sich da draußen auf dem weitläufigen, naturbelassenen Gebiet um das Haus herum zurechtzufinden.
Vor langer Zeit hatte sie die Erlaubnis bekommen, hier zu wohnen. Zumeist nur im Winter, da sich die Tri’Ora immer noch bevorzugt in der Natur aufhielt und aufgrund ihrer Berufung sowieso nur selten Zeit für Heim und Herd fand. Doch das Dach über dem Kopf war vor allem in den Tagen nützlich, in denen sie wie alle anderen Immaculate-Frauen unter den Folgen der Affectio litt. Hier konnte sie bei verriegelten Türen schlafen, bis die Erschöpfung nachließ und sich notfalls mit selbstgebrauten Mitteln betäuben, sollte das Bedürfnis nach Zweisamkeit so stark werden, dass sie glaubte, darüber den Verstand zu verlieren.
Jetzt, wo Rowtag Welpen hatte und mehr auf sich selbst als auf ihre Herrin
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