Die Suenden der Vergangenheit
geräuschvoll flatterte.
„Misch dich nie wieder in meine Angelegenheiten, Huldah! NIE WIEDER! Was weißt du schon, was da draußen vor sich geht?! Geh und nimm die Überreste deines Sohnes mit! Mehr ist nicht von ihm übrig geblieben!“, spie der Lord ihr verächtlich entgegen.
Die Lady erhob sich sofort, um dann zum Tisch zu taumeln, wo der Inhalt der Kiste ihr einen Schock versetzte.
Ihr wunderhübscher Sohn! Auf grausigste Art gedemütigt!
Sie blickte ihren Mann feindselig an.
„Wenn das eine Frau war, dann fordere ich ihren Kopf! NEIN! Ich will sie hier haben! An einem Stück, damit sie für ihre Tat büßt! ICH WILL SIE HIER HABEN!“, tobte Huldah und presste die Kiste an ihren Busen, als wollte sie ein Kleinkind säugen.
Die Augen des Lords blitzten kurz rot auf, dann drehte er sich mit vor Ekel verzogenen Mund von dem abstoßenden Anblick weg, den die beiden Frauen boten.
„So sei es!“, war alles, was er dazu sagte. Es ging ihm nicht darum, seinen Sohn zu rächen, aber die Vorstellung, dass ein Frauenzimmer einen Aryaner zur Strecke gebracht haben sollte, stieß ihm übelst auf. Das konnte er nicht zulassen. Es ging nicht an, dass die andere Seite nun auch noch ihre Weiber in den Kampf schickte.
Oder war es gar jemand vom verfluchten Jägerpack? Der Lord runzelte die Stirn, da er bisher der Meinung gewesen war, dass sie niemals ihre Frauen in den Kampf schicken würden.
Sein Schatten wurde im Gehen von der Dunkelheit verschluckt, als er sich entmaterialisierte und in dem Saal wieder auftauchte, in dem Versammlungen abgehalten wurden. Heute würde die Jagd eingestellt werden. Er musste seinen Schergen mitteilen, dass sie sich auf die Suche nach der Frau machen sollten, die seinen Sohn auf dem Gewissen hatte.
2. Das Jüngste Gericht
Freitag, 03. August; Morgengrauen, Camera Cuniculi *
Nico folgte ihrem Führer in die Katakomben des Schlosses. Sie betrat eine ihr bisher unbekannte Welt. Die Stufen schienen direkt in den Felsen gehauen worden zu sein und wenn man die archaischen Kräfte von einigen Immaculate in Betracht zog, war das wohl auch so geschehen.
(*camera cuniculi = Kellergewölbe)
Sie hatte die letzten Tage im Castle Harpyja verbracht, da sie sich um ihren Vater kümmern wollte, der sich erstaunlich schnell von der kräftezehrenden Umwandlung erholte. Es gab zwischen ihnen so viel nachzuholen, dass sie ihm noch nicht von der Seite weichen mochte, auch wenn sie sich zeitgleich nach Damon sehnte, der zurück in die Stadt gegangen war, da er seinen Pflichten als Krieger nachkommen musste. Zwischen ihnen war alles neu und noch ungeklärt. Sie wusste gar nicht, wie es weiter gehen würde, wenn sie zurück in die Stadt kehrte. Waren sie nun ein gewöhnliches Pärchen, das ab und an etwas gemeinsam unternehmen würde?
An den Wänden entlang waren über ihrem Kopf Fackeln angebracht, deren Flammen verloschen und auf die nächsten Fackeln übersprangen, wenn man an ihnen vorübergegangen war, so dass man den Eindruck bekam, das tanzende Licht würde einen auf dem Weg nach unten begleiten. Der graue Granit fühlte sich kühl unter Nicos nackten Fußsohlen an. Ihr Ornat aus schwerer Seide raschelte bei jedem Schritt. Sie hatte die Kapuze übergezogen, um sich von der Umwelt abzuschotten.
Nicos Herz klopfte nervös in ihrer Brust, die sich leicht beengt anfühlte, was wahrscheinlich auch den Sachen lag, die sie darunter trug. Sie würde die Letzte sein, die den Raum betrat, in dem der Prozess stattfand. Sie würde sich dem Consilium Gentis* stellen müssen, das sich zu diesem Anlass zusammengefunden hatte. Den Vorsitz hatte Devena Gwen als Arbitra Omnia** inne. Nico musste sich als Opfer der Anklage stellen, die schließlich von Catalina als ihrer Patrona offiziell gemacht worden war.
(*Rat der ranghöchsten Familien; **Höchste Richterin)
Nico senkte die Lider auf den Saum ihres dunklen Gewandes und schämte sich bei dem Gedanken an ihr erstes Zusammentreffen nach ihrer Umwandlung. Catalina hatte sich ziemlich aufgeregt und eine Unterredung mit Damon unter vier Augen verlangt, die ihr als Patrona zustand. Nico verstand, dass sie nur aus Beschützerinstinkt heraus handelte, doch die Entscheidung der Umwandlung hatte sie nicht überstürzt getroffen, es war ein logischer Schritt für sie gewesen. Mehr Zeit verstreichen zu lassen, hätte absolut keinen Sinn gehabt. Catalina selbst mochte durch äußere Umstände zur Eile gezwungen gewesen sein, doch Nico war den Schritt nur gegangen, weil ihr
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