Die Suenden der Vergangenheit
Anklagebank niedersausen ließ und laut verkündete, dass der Conventus* hiermit eröffnet wäre. Die Arbitra in purpurroten Gewändern, die mit Goldlitzen verziert waren, erhob ihre strahlende Erscheinung aus dem Stuhl und ihre klare Stimme füllte den Saal mit einem einnehmenden Klang. *(Gerichtstag)
„Edward Sterling, Sohn des Hauses Argentus wird der Missbrauch seiner besonderen Kräfte vorgeworfen, durch die unzählige unschuldige Frauen zu Tode gekommen sind. Nicolasa, Sophora des Hauses Lovania, entkam einem grausamen Tod nur aufgrund einer glücklichen Fügung. Wir sind hier zusammen gekommen, um ein Urteil über diese Taten zu sprechen. Ich erteile der Familie Sterling zuerst das Wort, um dem Angeklagten die Möglichkeit der Verteidigung zu geben!“
Sterlings Vater erhob sich von seinem Sitz und stieß ein leises Räuspern aus, das erste Anzeichen für eine Unsicherheit, wenn überhaupt.
„Die Familie hat nicht vor, Ausflüchte für das Verhalten meines Sohnes zu suchen. Er wurde von zwei Kriegern überführt, deren Wort hier niemand anzweifeln wird…“
„FEIGLING!“, zischte Sterling verächtlich und schoss regelrecht aus seinem Stuhl heraus, wo er dann gleich an den Schultern gepackt wurde, bevor er auch nur eine weitere Bewegung machten konnte. Er knurrte ungehalten und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch vor sich ab.
„Das Frauenzimmer hat darum gebeten! Sie hat gebettelt! Ich gab ihr nur, was sie wollte!“, spie er heraus und Nico spürte seine Feindseligkeit körperlich, so dass sie erneut zusammenzuckte.
Langsam erhob sie sich aus ihrem Stuhl und schob zugleich die Kapuze zurück, um sich den Blicken aller zu stellen, auch wenn es ihr sehr schwer fiel.
„Edward Sterling spricht die Wahrheit, ehrenwertes Gericht! Ich begab mich freiwillig in seine Hände! Ich weiß, dass es ein Fehler war, ihm zu vertrauen. Ich erwartete nicht viel von ihm, aber vertraute dennoch darauf, dass er als Immaculate eine gewisse Grenze nicht überschreiten würde. Es ging nicht darum, mir die Verwandlung zu ermöglichen, sondern meine Qualen so weit zu steigern, wie es ihm Freude bereiten würde. Es sagte mir selbst, dass sein besonderer Duft Breed-Frauen gefügig macht. Sie sehen sich mit ihren größten Ängsten konfrontiert, die er damit verstärken kann, bis man glaubt, den Verstand zu verlieren.“
Nico hatte Mühe, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben und Sterlings Blick standzuhalten, da in ihr die Bilder hochkamen, die sie in seinem Folterkeller heimgesucht hatten. Eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel, was den Angeklagten jedoch nur zu einem höhnischen Schnauben veranlasste.
„Ich trage meinen Teil der Schuld und möchte, dass sie in dem Urteil berücksichtigt wird. Ich hätte niemals ein solches Verfahren unterstütz, wenn ich die einzige gewesen wäre, die blindlings in seine Falle getappt ist. Für die Lebenden kann ich nicht sprechen, aber für die Toten! Sie haben bisher keinen Frieden gefunden, weil jede erneute Tat sie in dieser Welt festhält.“
Nico ging um den Tisch herum und trat die letzten beiden Stufen herunter in die Arena, sich wohl bewusst, dass alle Blicke ihr gebannt oder auch geringschätzig folgten, je nachdem welcher Seite sie mehr Glauben schenken würden. Edward Sterling stammte immerhin aus gutem Hause und sie hatte mehr als zweifelhafte Wurzeln.
„Ich habe sie gerufen. Es sind dreizehn Breed-Frauen, die der Tortur nicht standhalten konnten und die man wie nutzlosen Müll irgendwo auf dem Land verscharrt hat.“
Nicos Blick ging nun beinahe gequält in Sterlings Richtung, wobei sie ihn gar nicht ansah, da die Frauen ihr die Sicht versperrten. Sie sahen so aus wie im Moment ihres Todes. Blass, ausgeblutet und misshandelt. Nicos Herz schmerzte für sie, weil sie so leicht eine der ihren hätte werden können. Niemand war gekommen, um sie in letzter Sekunde zu retten. Sie fühlte Schuldgefühle in sich aufsteigen, dass ihr ein besseres Schicksal widerfahren war.
„Sehr ergreifend gesprochen, Sophora! Allerdings kann ich den Angeklagten kaum aufgrund der Anklage verurteilen, die Geister hervorbringen! Ihr habt selbst zugegeben, dass Ihr freiwillig zu ihm gegangen seid! Alles andere könnte Eurer ausschweifenden Fantasie entsprungen sein! Das Haus Argentus gehört seit Jahrhunderten zum Rat und soll aufgrund der Worte einer Frau mit Schmutz besudelt werden, deren Herkunft mehr als fraglich ist?“, warf eine unbewegte Stimme dazwischen, die Nicos sanfte
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