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Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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filzigen Haaren um den Nacken, um sie zu schütteln, bis ihr die Zähne klapperten, wobei man nichts hören konnte, weil sie nur noch zwei oder drei davon hatte. Sie greinte wie ein hilfloses Kind, wehrte sich jedoch nicht.
    Seine Wut verflog gleich wieder, weil er einsah, dass er mit roher Gewalt nicht weiter kommen würde. Das Lumpenweib hatte Recht, sie war zu schwach, um überhaupt noch etwas selbst zu machen. Er hatte ihre Pflege vernachlässigt, weil sie ihm nicht mehr von Nutzen erschienen war. Ein Fehler, den er nun einsah. Er hob sein Handgelenk an seine Lippen und durchbohrte seinen Puls mit einem schnellen Schnitt seiner scharfen Reißzähne, um es ihr dann an die widerwillig geöffneten Lippen zu drücken. Er hatte das Biest schon lange durchschaut, sie wollte sterben, aber das würde er erst zulassen, wenn es ihm der Sinn danach stand.
    Nahimana musste schließlich schlucken, weil ihr Mund von seinem widerlich schmeckenden Blut überquoll. Es war erniedrigend, gleich darauf einen neuen Energieschub zu spüren, der sie kurz glauben machte, wieder eine junge Squaw zu sein. Sie war leichtfüßig und hübsch anzusehen gewesen. Eine Gesegnete ihres Volkes. Und nun… Bis in alle Ewigkeiten verdammt .
    Sie keuchte und schluckte, bis der Lord ihre Hand erneut auf den Schädel seines toten Sohnes drückte. Die Bilder stürmten auf sie ein, doch sie verstand ihre Bedeutung teilweise nicht, weil sie nur das Leben bei ihrem Stamm kannte und danach dunkle Verliese, in die niemals ein Lichtstrahl drang, ansonsten hätte sie schon lange Erlösung im Licht gesucht.
Die Seherin röchelte und fiel in sich zusammen, knallte ungeschickt mit dem Kinn auf den Tisch und landete in einem Bündel von streng riechenden Gewändern auf dem Boden. Sie sah aus, als hätte sie sich die Lippe blutig gebissen, weil ihr Kinn mit Blut verschmiert war, doch es war das Blut des Lords, das sie besudelte und ihr den Magen füllte.
    „Was hat sie gesehen?“
    Die geflüsterte Frage ließ Lord Rukh zu seiner Frau herumfahren, die ihm in den Keller gefolgt war, obwohl sie doch oben bei ihren Frauen sein sollte, um ihren unsäglichen Verlust zu betrauern. Sie hielt den kostbaren Smaragdanhänger ihres Kolliers mit festem Griff umspannt und warf der am Boden kauernden Gestalt einen raubvogelähnlichen Blick zu, der ihrem Gesicht etwas Teuflisches verlieh, das Rukh abstieß. Sie saß schon zu lange auf dem Thron der Hausherrin, wie es schien.
    Noch bevor er ihr harsch befehlen konnte, sich zurückzuziehen, gackerte die Alte los. Ein irres Lachen, das ihren ganzen Körper durch schüttelte.
    „Die Schwingen des Adlers haben ihn zur Strecke gebracht!“, kreischte sie mit weit aufgerissenen Augen und ihr verrückt wirkender Blick glitt zu der Frau an der Tür, die sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr hier unten gesehen hatte, weil sie der Geruch abstieß. Noch ein Gackern, weil sie das schon lange nicht mehr roch.
    Dann keuchte sie und warf den Kopf in den Nacken: „Es war eine Frau! Eine starke, schöne Frau, deren Klinge seinen Kopf mit einem Schlag von seinem Körper abgetrennt hat! Er rollte davon… und er rollte und rollte und rollte…!“
Sie begann diese Worte immer wieder zu wiederholen, wobei sie ein böses Kichern ausstieß.
    Huldah* Rukh stieß einen spitzen Schrei aus und stürzte sich mit rotglühenden Augen auf die Alte, während ihre Fangzähne sich in Sekundenschnelle bildeten, die ihrem sonst so süßen Gesicht etwas Abstoßendes verliehen. Sie sah nun aus wie die wilde Bestie, die sie sonst hinter ihrer gekünstelten Fassade versteckte. Noch bevor ihr Ehemann sie aufhalten konnte, hatte Huldah der Seherin die Kehle zerfetzt und das Genick gebrochen, um ihr triumphierendes Lachen endlich zu ersticken. Sie spie angewidert auf den leblosen Körper der Frau, der auf den schmutzigen Boden zurückgefallen war.
(*Aramäisch, ursprüngliche Bedeutung = Wiesel)
    „Verflucht seist du, Weib!“, brüllte Lucretius zornig und schlug seine Frau mit der Faust so fest ins Gesicht, dass er ihr den Kiefer brach und sie gegen die Wand geschleudert wurde.
    Huldah schrie und weinte: „Sie hat GELOGEN! EINE FRAU… HÄTTE FERENC NIEMALS DEN TOD BRINGEN KÖNNEN!“
Sie presste beide Hände an ihren Kiefer und versuchte, den kaputten Knochen mit den Händen zu richten.
    Lucretius blähte seine Nüstern und stemmte die Hände in die Seiten, während er aufgebracht im Raum auf und ab ging, so dass sein Mantel jedes Mal bei einer heftigen Drehung

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