Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
arbeiten.
Es waren gute Zeiten. Wir verdienten nicht schlecht, als andere kaum etwas verdienten. Unsere Zusammenarbeit zahlte sich aus. Aus dem einen Buch war eine ganze Serie geworden. Tagsüber zogen wir uns in unseren jeweiligen Teil der Wohnung zurück und arbeiteten; ich an meinen Büchern, sie an den zu meinen Worten passenden Bildern. Und das machte sie gut. Ihre Arbeit brachte die meine entsprechend zur Geltung.
Ich begann mir einen Namen als Kritiker zu machen. Gelegentlich schrieb ich für die Wochenendausgaben einiger großer Tageszeitungen, hin und wieder war ich auch zu Gast in Fernsehrunden. Damals waren wir längst nicht so sichtbar, rühmten uns nicht ständig unserer Errungenschaften, unserer Erfolge. Ganz anders als heute. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten zehn Jahren schon gefragt wurde, ob ich nicht an einer »Reality Show« teilnehmen wolle. So weit kommt’s noch. Alice mied die Öffentlichkeit, was mir sehr entgegenkam. Dabei hat sie ihren eigenen Beitrag zum Erfolg meiner Bücher stets unterschätzt. Sie fand, meine Arbeit sei das Wesentliche, die ihre nur dekorativ. Aus Furcht, im Rampenlicht zu stehen oder gar »ins Fernsehen gedrängt« zu werden, wollte sie nicht mal publik machen, dass wir auch privat ein Team waren. Ich fand ihre Schüchternheit rührend, zumal es für mich bedeutete, größtenteils so weiterleben zu können wie vor unserer Heirat. Es hatte seine Vorzüge. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir keine bessere Frau an meiner Seite wünschen können.
1986 , im vierten Jahr unserer Ehe, starb Alices Mutter. Dem Herrgott sei’s gedankt. Ich konnte alte Leute noch nie ausstehen – umso weniger, je älter ich selbst werde.
Was habe ich mir alles an Ausreden einfallen lassen, um den ewigen Besuchen bei ihr und diesem mit Spitzendecken behängten Mobiliar zu entgehen. Wenn sie zum Essen kam, gab ich vor, ich hätte zu arbeiten. Es war wirklich nicht schön anzusehen, wie sie sich mit ihren dritten Zähnen abmühte, neben sich den sabbernden Schwachkopf. Ihr Tod war auch nur bedingt ein Segen. Wir bekamen das Haus. Und den Schwachkopf. Das Haus lag an der Pembroke Avenue und machte ziemlich was her. Der Schwachkopf hieß Eugene.
Alice bat mich, ihn behalten zu dürfen, woraus die bis dato größte Krise unserer Ehe resultierte. Ein Kind wäre schlimm genug gewesen, doch hier ging es um einen schwachsinnigen, übergewichtigen Siebenundzwanzigjährigen. Unter nicht unerheblichem persönlichen Kostenaufwand ließ ich ihn einweisen, in ein Heim für geistig Minderbemittelte oder Förderbedürftige oder wie immer man das gerade nennt.
Als wir uns verlobten, stellte ich sofort klar, dass Kinder für mich nicht in Frage kämen. Oder vielmehr, ich sagte Alice, dass ich keine Kinder wolle, und sie war damit einverstanden. Ich hätte es mir schriftlich geben lassen sollen. Sie muss wirklich sehr in mich verliebt gewesen sein, wenn sie meinetwegen bereit war, etwas ihr so Wichtiges aufzugeben. Vielleicht dachte sie, ich würde es mir im Laufe der Zeit anders überlegen, wie es bei vielen Männern gang und gäbe scheint. Vielleicht ahnte sie aber auch, dass ich einfach das nächste stille Wasser ehelichen würde, wenn das mit ihr nicht klappte.
Wir waren keine fünf Jahre verheiratet, da begann ihre biologische Uhr Alarm zu schlagen; mit jedem Monat schrillte es lauter. Ich erinnerte Alice an unsere Vereinbarung. Damals habe sie das auch gewollt, behauptete sie, aber jetzt wünsche sie sich sehnlichst ein Kind. Ich hingegen bin ein Mann, der zu seinem Wort steht.
Weil ich mich kaum darauf verlassen konnte, dass sie die nötigen Vorkehrungen traf, nahm ich die Sache selbst in die Hand. Ich machte ein Ritual daraus, ihr vor dem Zubettgehen einen Kakao zu bereiten, versüßt mit einer kleinen, fein zerdrückten Pille. Alice fand das unglaublich romantisch.
Ich habe während unserer Ehe nicht unbedingt wie ein Heiliger gelebt. Ich wirke auf erstaunlich viele Frauen anziehend und enttäusche nur ungern. Darunter auch Frauen, von denen man es wirklich nicht erwarten würde. Moya zum Beispiel. Mein Gott, Moya … Apropos: Frauen, die klammern, sind nicht mein Fall.
In den letzten Jahren bin ich verstärkt dazu übergegangen, meine Bedürfnisse bei den Nutten zu befriedigen, die unten am Kanal anschaffen. Ich hatte nie etwas gegen diese Frauen, auch nicht, als ich noch kein Kunde war. Sie haben schon immer meine Neugier geweckt. Billiger sind sie, williger in ihrer Verzweiflung,
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