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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Versammelten entgegen und ließ es ihrerseits bei einigen wenigen Worten des Schmerzes bewenden. Alles andere wäre auch unangemessen gewesen, denn kaum dass sie Agapet gewürdigt hatte, verkündete sie: »Da meinem Gemahl und mir ein Erbe versagt geblieben ist, sehe ich es als meine Pflicht an, für eine rasche Nachfolge zu sorgen. Die Verantwortungen, die der Graf hat, sind zu groß, als dass wir sie auch nur wenige Tage vakant lassen dürften. Herzog Burchard von Schwaben wie auch König Konrad müssen sich darauf verlassen können, dass unsere wohlhabende Grafschaft mit ihrer Nähe zur Reichsgrenze verlässlich geführt wird. Daher habe ich den sicherlich ungewöhnlichen Entschluss gefasst, die Trauerzeit von einem Jahr nicht abzuwarten und noch heute erneut zu heiraten. Zu meinem Gemahl habe ich den Verweser Aistulf bestimmt. Agapet hätte, da bin ich gewiss, keine Einwände gegen meine Entscheidung. Die Grafschaft ging ihm über alles, und er selbst war es, der am Tag seiner Rückkehr mir gegenüber seine große Zufriedenheit mit Aistulfs Arbeit geäußert hat. Ich bitte euch, ehrwürdige Herren, begrüßt mit mir unseren neuen Herrn. Es lebe Aistulf.«
    Das hatte die Gräfin sehr geschickt angefangen. Die anwesenden Schultheißen waren allesamt mehr oder weniger mit Aistulf befreundet und stimmten sofort ein: »Es lebe Aistulf«, das sie unentwegt wiederholten und dadurch die Markträte mit sich rissen. Die niederen Geistlichen gaben ihr Einverständnis durch ein Lächeln zu erkennen, und der Abt schlug segnend das Kreuzzeichen. Baldur wusste nicht, wie ihm geschah – er sah aus wie ein Ochs vorm Scheunentor. Ich bin sicher: Hätte er schnell gehandelt und die Gräfin unterbrochen, wäre es nie zu dieser Bestätigung gekommen. Zumindest die Markträte und die Geistlichen hätten sich zurückgehalten, und dadurch, wer weiß, wären vielleicht auch die Schultheißen verstummt. Möglicherweise hätte Baldur auch unmittelbar nach den Hochrufen die Lage noch für sich retten können, wenn er seinen Anspruch deutlich und lautstark erhoben hätte. Immerhin befehligte er die Wache. Mit einem einzigen Kommando hätte er die ganze Versammlung auflösen und damit seine Macht demonstrieren können. Jedoch, dafür hätte er Standfestigkeit jenseits des Schlachtfeldes gebraucht, und die besaß er anscheinend nicht. Einmal überrumpelt, fand er sich in der Situation nicht zurecht, wurde unsicher und kriegte seinen Mund nicht auf. Mit steinerner Miene, aber ohne ein Wort des Widerspruchs, wohnte der Tropf der anschließenden Vermählung seiner Schwiegermutter mit Aistulf bei, vorgenommen vom Abt von St. Trudpert.
    Ich wäre zu gerne Mäuschen gewesen, als Baldur Elicia am Abend berichtete, was geschehen war, aber noch nicht einmal ich schaffe es, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, und die Gräfin brauchte mich, um ihre Gäste festlich zu bewirten. Immerhin: Bei Einbruch der Dunkelheit erinnerte sie sich ihrer Tochter und schickte mich, um sie zu holen.
    Könnten Gemütszustände sich unmittelbar auf die Umgebung übertragen, wären in Baldurs und Elicias Gemach die Eiszapfen von der Decke gewachsen. Die beiden hatten sich wohl schon alles gesagt. Er saß reglos, in der Haltung eines müden Kutschers, auf dem Schlaflager, und sie lief mit zerrauftem Haar hin und her.
    »Bilhildis!«, rief sie, als sie mich kommen sah. Sie umfasste meine Schultern mit ihren Händen, so als würde sie einen großen Kessel vor sich hertragen, sah mich an und fragte: »Kann so etwas sein? Hat die Welt schon eine solche Dreistigkeit gesehen? Welche Schande für unser Haus! Eine feiernde Witwe! Die Erde über meinem Vater ist noch nicht trocken, und sie heiratet. Und während die Welt applaudiert, drehen die Ahnen sich im Grabe um. Wäre ich nur dort im Saal gewesen, ich hätte Aistulf auf seinen Platz verwiesen.«
    Sie warf einen Blick zu Baldur, der noch immer mit gesenktem Kopf auf dem Nachtlager saß.
    »Bilhildis, du allein verstehst, wie mir zumute ist, und ich weiß, du fühlst wie ich. Auch auf dich fällt diese Schande, auf die ganze Burg.«
    Sie alle haben sich so sehr an mein stummes Wesen gewöhnt, dass sie oft, wenn sie mit mir sprechen, es im Tonfall von Selbstgesprächen tun. Im Grunde bin ich ihr Äffchen, von dem man nicht ernstlich eine Meinung erwartet, und eine Antwort schon gar nicht.
    »Es gibt nur eines«, sagte Elicia. »Diese selbstherrliche Ernennung muss rückgängig gemacht werden. Du bist der Kommandant, Baldur, du

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