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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Leopold stand unter dem Baldachin, der den Eingang zierte, und spähte mit zusammengekniffenen Augen zur Burg hinauf. Von Birkenfeld her näherte sich ein Reiter. Der Mann ließ sich Zeit, vielleicht um zu prüfen, ob man ihn tatsächlich unbehelligt durch die Reihen der Bogenschützen ließ. Kurz bevor er das Lager erreicht hatte, stieg er vom Pferd und wurde von zwei Männern in Empfang genommen, die ihn zu Herzog Leopold führten.
    »Albrecht von Schewe«, begrüßte der Fürst ihn. »Welche Nachricht bringt Ihr mir diesmal von Eurem Herrn?«
    »Ich bin gekommen, Euch ein Angebot zu unterbreiten. Zieht Eure Männer zurück, mein Fürst. Lasst ab von der Belagerung, die ohnehin ein schweres Unrecht ist.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »Nun…« Albrecht lächelte so genüsslich, dass Philips Faust zuckte. »Leider wird es uns nicht möglich sein, die junge Dame, die sich derzeit zu Gast auf Burg Birkenfeld befindet, angemessen unterzubringen. Eure Angriffe haben die Häuser des Gesindes schwer geschädigt, sodass mein großherziger Herr ihnen Kammern in der Burg zuwies. Für Frau Helena wird sich leider kein Platz in einer warmen Stube finden.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass sie dort bleiben wird, wo sie jetzt ist.« Albrecht schaute in den Himmel. Dunkle Wolken zogen sich über ihnen zusammen. »Ich weiß nicht, wie lange sie es bei guter Gesundheit aushalten wird.
    Besser, Ihr kommt dem Wunsch meines Herrn sofort nach, denn dann kann er die Hütten seines Gesindes wieder richten lassen und Frau Helena angemessen unterbringen.«
    Philips Hand wollte zum Schwert gleiten, doch er beherrschte sich. Albrecht von Schewe war ein Unterhändler. Unantastbar, ganz gleich, wie er sich auch benahm.
    »Welche Antwort darf ich meinem Herrn überbringen?«
    »Sagt ihm, niemals hat er uns seine Schuld deutlicher bewiesen als durch diese Tat. Wer sich hinter einem schwachen Weib verbirgt, ist kein Mann, sondern ein feiger Hund, den man mit einem Knüppel erschlägt.«
    »Alles liegt bei Euch, mein Fürst.« Albrecht deutete eine spöttische Verbeugung an. »Nicht wir werden unsere Hände mit dem Blut einer schwachen Frau besudeln. Ihr seid es, der über ihr Leben oder ihren Tod bestimmt.«
    Philip spürte einen Regentropfen auf der Haut. Dann einen zweiten.
    Auch Albrecht hatte den feinen Niesel bemerkt.
    »Es liegt bei Euch, doch ich würde raten, Euch bald zu entscheiden. Wer weiß, ob das Weib stark genug ist, länger als einen Tag und eine Nacht dort oben zu überleben.«
    Philip verschränkte die Hände hinter dem Rücken, krallte die Finger ineinander, um Albrecht nicht doch noch das Schwert durchs Gesicht zu ziehen, Unterhändler hin oder her. Jeder einzelne Regentropfen schnitt ihm in die Haut, offenbarte ihm das Leid, das Lena in ihrem dünnen Hemd ertragen musste, und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Erst als der Waffenknecht des Grafen davongeritten war, lösten sich Philips Finger wieder voneinander.
    »Wir werden den Geheimgang finden«, sagte der junge Leopold leise.
    »Mit Regensteins Kötern? Das glaubt Ihr doch selbst nicht.« Philip wusste, dass er ungerecht war, aber er konnte nicht anders.
    »Nicht mit Regensteins Kötern«, bemerkte eine vertraute Stimme.
    »Said!« Philip fuhr herum. Seit wann stand der Araber schon hinter ihm? »Du hast alles mit angehört?«
    Said nickte. »Die Entführer waren unvorsichtig. Hinter dem Zelt haben sie eine Spur hinterlassen. Komm!«
    Der junge Leopold begleitete sie.
    »Siehst du hier?« Said wies auf einen Schnitt an der Rückseite des Zeltes. »Hier sind die Männer eingedrungen. Und hier kamen sie wieder heraus.« Er zeigte auf zwei Eindrücke im Boden. »Einer der Männer trug eine Last, deshalb sind seine Stiefel tiefer in die Erde eingesunken als zuvor.«
    »Er trug Lena?«
    »Ja. Und man kann den Spuren folgen. Sieh her!« Said verfolgte die Fährten der Männer bis in den angrenzenden Wald. »Der Mann, der die Last trug, hatte seine Hände nicht frei und war nicht in der Lage, die Zweige und kleinen Äste beiseitezuschieben. Sie sind zum Teil gebrochen.«
    »Ihr könnt die Spuren am Boden und in der Luft lesen, Said al-Musawar?« Der junge Leopold zog anerkennend die Brauen hoch. »Ihr überrascht mich jeden Tag aufs Neue mit Euren Fähigkeiten.«
    »Er hat mir einst auf diese Weise das Leben gerettet«, sagte Philip leise. »Als er mich an einem Ort fand, an dem mich sonst niemand gefunden hätte.«
    »Und heute finden wir Lena«, versprach Said.

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