Die Sündenheilerin (German Edition)
über, wand sich den Gürtel um die Hüfte und griff nach seinem Mantel.
»Falls du ins Dorf kommst …«, rief Said ihm hinterher.
»Ja?« Philip verharrte kurz an der Tür.
»Bring doch noch so ein Kästchen mit. Die waren wirklich gut.« Said grinste ihn breit an.
Mittlerweile schaute ihm niemand mehr nach, wenn er morgens die Burg verließ und davonritt. Man hatte sich an seine Ausflüge gewöhnt.
Die kleine Holzfällerhütte war leer. Thea ließ ihn gern etwas warten, aber er war sich sicher, dass sie ihn längst aus dem Dickicht heraus beobachtete, denn sie kam jedes Mal, nachdem er gerade das Feuer in der Herdstelle entzündet hatte. Sorgsam schichtete er die Holzscheite auf und entfachte den Zunder. Zum wiederholten Male fragte er sich, was sie wohl von ihm dachte. War er in ihren Augen ein reiner Zeitvertreib? Oder genoss sie die Macht, die sie über ihn zu haben glaubte? Sie blieb ihm ein Mysterium.
Behutsam blies er in die Glut, um sie weiter anzufachen. Er hörte schon den Hufschlag ihres Pferdes. Ein angenehmes, vorfreudiges Kribbeln durchströmte ihn. Gleich würde sie die Tür öffnen. Er wäre auch zu ihr gekommen, wenn es kein Geheimnis gegeben hätte. Endlich das befreiende Klappen der Tür. Er wandte sich um, betrachtete sie mit einem Lächeln, wie sie vor ihm stand, ihr rotes Höllenhaar lang und offen, die einfache Männerkleidung, die ihren Leib verführerischer verhüllte, als es das kostbarste Gewand vermocht hätte. Etwas zu hastig sprang er auf und riss sie in die Arme. Sie hatte nur darauf gewartet. Kein Wort der Begrüßung fiel, ihre Lippen waren mit Angenehmerem beschäftigt, vereinten sich mit den seinen, zärtlich und gierig zugleich. Da war sie wieder, die wilde Löwin, die sich ihre Beute nahm. Und er war nur zu gern die Beute.
»Weißt du, was ich an dir schätze?«, flüsterte sie, nachdem er ihr alles gegeben hatte, was er vermochte.
»Sag es mir.« Seine Hände spielten mit ihrer Löwenmähne, glitten durch die weichen Strähnen, auf denen stets ein Hauch von Rosenöl haftete.
»Du weißt, wann du zu reden und wann du zu schweigen hast.«
Wenn Said das gehört hätte … Fast wäre Philip in schallendes Gelächter ausgebrochen.
»Genau wie du. Dabei wüsste ich so gern mehr von dir, meine wilde Löwin.« Es hatte ihr gefallen, als er ihr im Liebesrausch diesen Namen gegeben hatte, und auch jetzt leuchteten ihre Augen.
»Du weißt doch schon genug.« Sie schmiegte sich enger an ihn, warm und weich.
»Wenn du es sagst.« Er küsste ihr Haar. »Deine Mutter muss eine ausgesprochen schöne Frau sein, dass sie eine solche Tochter hat.«
Plötzlich verhärtete sich ihr Leib, und sie stieß ihn zurück. »Meine Mutter hat nichts mit mir gemein.«
Ihre heftige Antwort überraschte ihn.
»Verzeih, ich wollte keine unangenehmen Erinnerungen wecken.«
Sein schneller Rückzug schien sie zu beruhigen. Sanft ließ sie die Hände über seine Brust gleiten.
»Du konntest es nicht wissen«, sagte sie leise. »Meine Mutter hat sich nie genommen, was sie wollte. Vielleicht vom Augenblick meiner Zeugung abgesehen.«
Er sah die Verbitterung in ihren Augen. Möglicherweise war sie jetzt bereit, sich ihm zu offenbaren, wenn er nur geschickt genug fragte.
»Was hat sie getan, dich so zu erzürnen?«
»Was sie getan hat?« Thea stieß ein scharfes, freudloses Lachen aus. »Sie hat sich lieber in ein Kloster zurückgezogen, anstatt mit meinem Vater zu fliehen. Weil sie nicht den Mut hatte, sein Leben zu teilen.«
»In ein Kloster?«
»O ja, meine Mutter ist die ehrwürdige Schwester Clara, Äbtissin von Sankt Michaelis.« Zornig warf Thea ihr langes Haar zurück. Dennoch erschien sie ihm auf einmal seltsam verletzlich in ihrer entzückenden Nacktheit. »Mein Vater war in den Augen ihrer Familie kein standesgemäßer Umgang. Vermutlich gefiel es ihren Eltern nicht, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt, doch war es durchaus ehrenhaft für einen Ritter.«
Welches Fass hatte er da nur angestochen, als er ihre Mutter erwähnte? Auf keinen Fall wollte er ihre Beredsamkeit versiegen lassen.
»Was tat dein Vater?«
Sie sagte kein Wort. Schon befürchtete er, sie habe es sich anders überlegt. Doch dann sah er, wie sie gegen ihre aufsteigenden Tränen ankämpfte. Mühsam unterdrückte er den Impuls, sie tröstend in die Arme zu nehmen. Hätte er das getan, hätte sie sich nur allzu gern von seinem Körper ablenken lassen.
»Er verdiente seinen Lebensunterhalt mit Turnieren.«
Philip
Weitere Kostenlose Bücher