Die Sündenheilerin (German Edition)
der großen Kanne in die Waschschüssel. Das sanfte Morgenrot kündigte einen herrlichen Tag an. Nicht so grau und diesig wie die beiden, die hinter ihm lagen. Ein idealer Morgen für einen Ausritt und ein weiteres, höchst angenehmes Beisammensein mit der roten Thea. Bei dem Gedanken daran lächelte er versonnen vor sich hin. Was für ein Weib, ganz anders als sämtliche Frauen, die er zuvor gekannt hatte. Für gewöhnlich wünschten Frauen sich eine angenehme Unterhaltung und eine einfallsreiche Werbung. Thea hielt das für Zeitverschwendung. Sie fiel noch immer wie eine ausgehungerte Löwin über ihn her und zeigte nur wenig Neigung zu gepflegter Konversation. Immerhin wurde sie etwas offener, beantwortete schon harmlose Fragen, wenn sie bekommen hatte, was sie wollte. Nichts Wichtiges, wohlgemerkt, aber immerhin ein Anfang.
»Du weißt schon.« Irgendetwas klapperte und raschelte. Ein schmatzendes Geräusch, dann ein Schlucken. »Deine neueste Eroberung.«
Philip wandte sich um. »Was isst du da eigentlich?«
In Saids Hand entdeckte er ein Kästchen. Er erkannte es sofort, hatte er es doch am Tag zuvor einer der Mägde übergeben, um es Frau Helena als Präsent zukommen zu lassen. Ein simpler Versuch, die Gunst der verschlossenen Heilerin zu gewinnen.
»Das siehst du doch. Magst du auch eine süße Frucht?« Völlig unbeeindruckt hielt Said ihm das Kästchen hin, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.
»Woher hast du das?«
»Hat die mit der Stupsnase hier abgegeben. Du weißt schon, die immer so albern kichert, als sei sie blöde.« Said verdrehte die Augen. »Frau Helena lege keinen Wert auf deine Aufmerksamkeiten.«
»Und deshalb stopfst du dich jetzt damit voll?« Mit einem Seufzer steckte Philip sich eine der honigsüßen Früchte in den Mund, bevor Said die Schachtel allein leerte.
Nachdem er der Gräfin am vorgestrigen Abend erstmals an der Tafel ihres Gatten begegnet war, wusste er überhaupt nicht mehr, woran er war. So sah keine Kranke aus. Ihm gegenüber hatte eine strahlende junge Frau gesessen, die ihm durchaus auffordernde Blicke zuwarf. Dass Frau Helena ausgerechnet an diesem Tag der Tafel ferngeblieben war, hatte ihn zutiefst verwirrt. Er erinnerte sich an ihre müden Augen. Er hätte wissen müssen, dass sie seine Gabe zurückweisen würde.
»Wäre doch schade, wenn sie umkämen.« Said grinste. »Die sind nicht übel. Wo hast du sie her?«
»Du stellst Fragen. Woher wohl?«
»Von deinem Räuberliebchen?« Schon wieder Saids anzügliches Lächeln. »Füttert sie dich neuerdings mit Leckereien?«
»Nein, aus dem Dorf.«
»Und wie lange willst du Thea noch mit deiner Gegenwart erfreuen?«
»Bis sie mir gesagt hat, was ich wissen will.« Mit einem hastigen Griff kam Philip Said im Kampf um die letzte Frucht zuvor und schob sie triumphierend in den Mund.
»Dann solltest du sie vielleicht einmal fragen.«
»Hast du es eilig, Said? Wir haben hier doch nichts auszustehen. Ist der Graf etwa kein vollkommener Gastgeber?«
»Wer weiß, wie lange er das noch bleibt, wenn du so ungeniert auf die feurigen Blicke seiner Gattin antwortest.«
»Was habe ich denn getan? Ich war doch nur höflich.«
»Ach ja?« Said warf pathetisch den Kopf in den Nacken und hob anbetungswürdig die Hände. »Edle Frau, selbst die Rosen im Garten des Sultans würden aus Neid über Eure vollkommene Schönheit die Köpfe hängen lassen.« Dann wurde er wieder ernst. »Das geht weit über schlichte Höflichkeit hinaus.«
Philips Miene verfinsterte sich. Er hasste es, wenn Said ihn nachäffte. Vor allem wenn er sich selbst dabei ertappt fühlte.
»Frauen hören so etwas gern«, versuchte er sich zu rechtfertigen.
»Ihre Ehemänner weniger.«
»Der Graf hat gelacht.«
»Was blieb ihm auch anderes übrig?« Said schüttelte den Kopf. »Manchmal frage ich mich, ob dein Verstand sich verabschiedet, sobald du eine hübsche Frau siehst.«
Philip lag eine bittere Antwort auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter und wandte sich wieder der Waschschüssel zu. Das kühle Wasser half ihm, seine Gedanken zu ordnen. War er wirklich zu weit gegangen? Er hatte die Gräfin mit Hochachtung behandelt, sich zu keinerlei Anzüglichkeiten hinreißen lassen, abgesehen von diesem einen Kompliment. Ach was, Said übertrieb wie immer. Wer die Schönheit einer Frau pries, lobte doch zugleich den Geschmack des Ehemannes. Deshalb hatte der Graf gelacht, nicht aus Verlegenheit.
Ohne ein weiteres Wort zog er Hemd und Bliaut
Weitere Kostenlose Bücher