Die Sündenheilerin (German Edition)
dass wir den Dialekt der hiesigen Gegend sprechen. Und nicht nur ihm. Auch Frau Helena sprach mich darauf an.« Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zog Philip den ersten Stiefel an.
»Vielleicht ist es an der Zeit, mit dem Versteckspiel aufzuhören«, schlug Said vor. »Was hast du schon zu verlieren?«
»Eine ganze Menge.« Philip zerrte den zweiten Stiefel über den Fuß. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer wäre.«
»Das liegt daran, dass du zu enge Stiefel trägst.«
»Ich rede nicht von meinem Schuhwerk«, schnaufte Philip und zog den Stiefelschaft glatt. »Außerdem sind sie nicht zu eng.«
»Ach ja, ich vergaß, du machst in letzter Zeit aus allem ein Geheimnis. Was kann so gewichtig sein, dass du mir nicht mehr vertraust?«
»Hör mir zu, Said. Was tätest du, wenn du dir nicht sicher wärst, ob das, was du gehört hast, wahr ist oder den Lügengespinsten eines sterbenden Räubers entspringt? Wenn er mir die Wahrheit gesagt hat, wird es einen Mann ins Verderben reißen, der es nicht besser verdient. Aber wenn er gelogen hat, wird es einen Unschuldigen vernichten. Und deshalb werde ich nicht darüber sprechen, bis ich weiß, wo die Wahrheit liegt.«
»Es betrifft den Grafen? Verschweigst du ihm deshalb, wer du wirklich bist?«
»Du siehst, Said, ich muss dir gar nicht alles verraten. Du weißt schon so genug.« Er klopfte seinem Freund auf die Schulter.
»Und wieso glaubst du, dass die rote Thea dir die Wahrheit sagen wird?«
»Sie wird sie mir nicht sagen, sondern zeigen.« Philip grinste. »Ich habe sie bald so weit, dass sie mich in ihre Räuberbande einführt. Und dann werde ich sehen, mit wem Barbarossa tatsächlich Geschäfte macht.«
Die Holzfällerhütte war leer, doch an der Außenwand waren frische Holzscheite aufgeschichtet. Zum ersten Mal fragte sich Philip, wer das Brennholz wohl schlug. Vermutlich nicht der Holzfäller, der diese Hütte einst bewohnt hatte, denn es waren zahlreiche grüne Triebe dabei, noch feucht und nicht sonderlich brauchbar. Philip suchte sich die trockensten Scheite aus, reinigte die Feuerstelle von alter Asche und entfachte die Glut neu. Wie lange ließ Thea ihn wohl warten? Bis der Rauch aufstieg und ihr zeigte, dass er gekommen war?
Das erste Scheit zerfiel bereits zu Asche, doch Thea war noch immer nicht erschienen. Gehörte das zu ihrer Art, ihm seinen Platz zuzuweisen? Ein treuer Hund, der geduldig auf die Herrin zu warten hatte? Lange würde er nicht mehr warten. Und wenn ihr etwas zugestoßen war? Gerade wollte er die Hütte verlassen und nach ihr Ausschau halten, als er den Hufschlag eines Pferdes hörte. Er öffnete die Tür.
»Habe ich dich warten lassen?« Thea strahlte ihn an und sprang aus dem Sattel. Ihre Wangen waren gerötet, das Haar hing ihr schweißnass ins Gesicht, und an ihrem Bliaut klebte Blut.
»Nun schau nicht so erschrocken drein, es ist nicht mein Blut.« Sie lachte über seine besorgte Miene. Dabei schüttelte sie ihr Höllenhaar und fuhr sich mit den Fingern durch die lockigen Strähnen. Eine Frau wie die Sünde, die sich ihres Wertes wohl bewusst war.
»Was ist geschehen?«
»Nichts, das dich beunruhigen müsste. Du weißt doch, welches Handwerk ich ausübe.« Sie klopfte ihrem Schimmel auf den Hals und band ihn dann neben Philips Wallach fest.
»Du kommst geradewegs von einem Überfall zu mir?« Missmutig verschränkte Philip die Arme vor der Brust.
»Ich nehme alles, was ich kriegen kann. Erst die Beute und dann dich, schöner Mann.«
»Und was hast du erbeutet?«
»Nun gehab dich doch nicht so grimmig!« Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken, liebevoll und fordernd zugleich. Dabei drängte sie ihn zurück in die Hütte. Philip gab nach, aber irgendetwas hatte sich verändert.
In den Tagen zuvor hatte allein ihr Anblick genügt, sein Blut in Wallung zu bringen, die Art, wie sie sich bewegte, wie sie ihr Haar schüttelte. Jetzt schmiegte sie sich eng an ihn, er spürte ihre Wärme, ihren geschmeidigen Leib, roch ihren Duft, diese Mischung aus Wald und Rosenöl auf erhitzter Haut, doch die erwartete Erregung blieb aus. Behutsam befreite er sich aus ihrer Umarmung und trat einen Schritt zurück.
»Was ist mit dir?« Ein Anflug von Ärger huschte über ihr Gesicht. Oder war es nur Erstaunen?
Was sollte er ihr antworten? Dass ihn die Vorstellung dessen abstieß, was sie vor Kurzem getan hatte? Das fremde Blut an ihrer Kleidung? Aber war das überhaupt der Grund?
»Ich weiß es nicht«, sagte er leise.
»Nun,
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