Die Sündenheilerin (German Edition)
näher erläutern, noch nicht. Bitte hört auf mich, und verlasst Burg Birkenfeld morgen früh.«
»Das ist unmöglich. Ich habe meine Pflichten. Die Gräfin braucht mich.«
Er schaute sie eindringlich an, doch sie blieb unerschütterlich.
»Verzeiht, dass ich Euch belästigt habe.« Er wandte sich um und ging.
Erst als ihn das Dunkel verschluckt hatte, begriff Lena, dass in seinen Augen ein Ausdruck der Sorge gestanden hatte. Irgendetwas in ihr warnte sie, mit niemandem sonst über diese Begegnung zu sprechen.
Der folgende Morgen ließ die Welt wieder heller erstrahlen. Lena unterdrückte jedes ungute Gefühl. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um sich erneut Elise zuwenden zu können.
Wie mochte die Gräfin sie wohl empfangen? Noch immer voller Angst oder wieder in ihrer anmaßenden Art?
Keine ihrer Erwartungen wurde erfüllt. Elise zeigte weder Furcht noch Überheblichkeit. Fast ausdruckslos saß sie auf ihrem Stuhl. So ähnlich wie am ersten Tag, als sie Lena am Arm des Kaplans begegnet war. Bevor sie mit erstaunlicher Kraft nach der Hand ihres Gemahls gegriffen hatte.
»Ihr seid noch da?«, fragte Elise, ohne den Kopf zu heben. »Ich hatte Euch geraten, Birkenfeld zu verlassen.«
Warum wollen alle, dass ich dieser Burg den Rücken kehre?, dachte Lena. Droht mir hier wirklich Gefahr? Oder fürchtet man mich?
»Und ich hatte Euch gesagt, dass ich bleiben werde, solange Ihr mich braucht.«
»Glaubt Ihr, es wäre eine Hilfe, wenn Ihr mir unterstellt, mein Kind sei ein Bastard?«
»Ich habe oft erlebt, wie Schuldgefühle den Menschen die Gesundheit rauben. Euer Leiden begann nach Rudolfs Geburt. Ihr habt genügend Andeutungen gemacht, die mir diesen Verdacht nahelegen. Wie es auch sei, Frau Elise, ich trage Euch nichts nach, ganz gleich, wie die Wahrheit aussieht.«
»Ihr glaubt, Ihr könnt mir Absolution erteilen?« Elise funkelte Lena herausfordernd an. Zu ihrem Erstaunen stellte Lena fest, dass sie die kämpferische Elise vermisst hatte.
»Nein, das kann nur ein Priester. Und auch der vermag es nur, wenn Ihr Euch selbst vergebt.«
»Woher nehmt Ihr nur Eure Selbstgefälligkeit?«
»Ich bin froh, dass Ihr wieder ganz die Alte seid, Frau Elise. Ich sehe Euch lieber wettern und zürnen, anstatt auf Knien winseln. Das steht Euch nicht.«
»Ihr seht mich lieber …« Die Gräfin sog empört die Luft ein. »Was fällt Euch ein?«
Lena lächelte. »Nichts, Frau Elise. Aber ich glaube, es ist wenig hilfreich, wenn wir uns bekämpfen. Ebenso wie es Euch keine Linderung bringt, wenn Ihr Euch selbst kasteit. Martin ist tot, und ich trage Euch nichts nach, was auch immer geschehen sein mag.«
Auf einmal wurde Elise ganz ruhig.
»Ich habe Euch unterschätzt, Helena. Ihr seid stärker, als ich dachte. Stärker auch als ich.«
»Glaubt Ihr mir, wenn ich Euch verspreche, dass alles, was Ihr mir anvertraut, für immer in meinem Herzen verschlossen bleibt?«
Elise atmete schwer. »Und ein Bekenntnis der Wahrheit soll mich von meinem Leiden erlösen?«
»Nein, nicht das Bekenntnis, sondern die Vergebung, die nicht nur bei Gott liegt, sondern die Ihr Euch auch selbst gewähren müsst.«
Die Gräfin senkte das Haupt. »Ihr habt recht. Ich lud die Sünde auf mich, derer Ihr mich beschuldigt habt. Martin ist der Vater meines Sohnes.«
Jetzt war es heraus. Auch wenn Lena es immer geahnt hatte, so war es doch etwas anderes, es aus Elises Mund zu hören. Sie atmete tief durch. Nur keine Schwäche zeigen.
»Aber Euer Gatte glaubt, Rudolf sei von seinem Blut?«, fragte sie, als wäre nichts gewesen.
»Mein Gatte?« Elise brach in schallendes Gelächter aus. »O ja, sein geheiligtes Blut, das auf Ewigkeiten fortleben muss. Rudolf hat sogar die blauen Augen, die für alle Grafen von Birkenfeld so bezeichnend sind.« Sie lachte immer schriller.
Eine Gänsehaut kroch Lena über den Rücken. Hatte sie sich so geirrt? Empfand Elise keine Schuld und Scham? Nein, das konnte nicht sein, nicht nachdem sie beobachtet hatte, wie Elise tags zuvor gelitten hatte. Sie wollte etwas sagen, doch das Gelächter der Gräfin wollte nicht verstummen. Es wurde zu einer Waffe, der Lena nichts entgegenzusetzen hatte.
Sie hörte Elises Lachen noch, als sie deren Stube schon längst verlassen hatte.
8. Kapitel
E r hält dich für einen Regensteiner Bastard?« Said starrte Philip fassungslos an. »Wie kommt er darauf?«
Philip griff nach seinen Stiefeln, die er am Abend zuvor in eine Ecke geworfen hatte.
»Es ist ihm aufgefallen,
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