Die Sündenheilerin (German Edition)
und schwang sich in den Sattel. Er sah noch, wie sie in den Wald galoppierte. Ohne zu überlegen, band Philip seinen Wallach los und folgte ihr. Zunächst hatte er sie nur einholen und zur Rede stellen wollen, doch während er ihr folgte, reifte ein anderer Plan in ihm. Wenn sie ihn nicht bemerkte, würde sie ihn zum Lager der Räuber führen. Und so, wie sie vor seinen Fragen geflohen war, war sie mit ihren Gedanken gewiss anderswo. Zudem, was sollte ihm schon geschehen? Wenn sie ihn entdeckte, fände er gewiss eine passende Ausrede. Sie wollte ihn zum Gefährten, sie würde ihm die wilde Leidenschaft glauben.
Es war nicht leicht, Thea auf der Spur zu bleiben, doch immer wieder fand Philip verräterische Zeichen, abgeknickte Farne und zerbrochene Zweige, die ihm den Weg wiesen. Als er den Rauch mehrerer Feuer roch, zügelte er sein Pferd und stieg ab. Er führte den Rappen tiefer in den Wald hinein und band ihn hinter einem dichten Strauchwerk fest, wo vermutlich kein Reiter vorüberkam und ihn sofort sah. Dann schlich er dem Rauchgeruch nach.
Zunächst hörte er nur die Laute des Waldes, den Wind, der durch die Wipfel rauschte, das Singen der Vögel. Irgendwo raschelte ein kleines Tier durch das Unterholz. Ein roter Blitz schoss an Philips Kopf vorbei. Er zuckte zusammen, aber es war nur ein vorwitziges Eichhörnchen. Je weiter er ging, umso stärker mischte sich der Rauchgeruch mit dem Duft von gebratenem Fleisch, und die Laute änderten sich. Anfangs nur ein Murmeln, konnte er schon bald verschiedene Stimmen unterscheiden, ohne die Worte zu verstehen.
Vorsichtig huschte er im Schatten der Bäume vorwärts. Ob das Lager wohl gesichert war? Oder hausten die Räuber einfach so im Wald? Das konnte er sich nicht vorstellen.
Sein Gefühl trog ihn nicht. Je deutlicher er die Stimmen hörte und sogar das eine oder andere Wort verstand, meist kurze, barsche Rufe, die sich aufs Essen bezogen, umso mehr lichtete sich der Wald. Es war keine natürliche Lichtung. Überall befanden sich Baumstümpfe. Manche waren schon halb verfault und von Moos überzogen, andere hatte man erst vor Kurzem gefällt.
Vor ihm erhob sich ein mächtiger Palisadenwall aus rohen Baumstämmen, jeder Einzelne maß mehr als drei Mannshöhen. Das schwere Tor hatte beim Öffnen und Schließen tiefe Riefen in den Waldboden gekratzt. Er schätzte die Waldfestung beinahe so groß wie Burg Birkenfeld samt Vorburg ein, doch er konnte sie nicht ganz überblicken. Im Hintergrund schmiegte sich das Räubernest an einen Felsen, der die Rückseite der Festung bildete. Über dem Tor entdeckte er einen Mann, der von einer Plattform aus die Gegend überwachte. Der Wächter schien seine Aufgabe nicht sonderlich ernst zu nehmen, er lehnte träumend mit halb geschlossenen Augen an der groben Holzbrüstung. Unbemerkt schlich Philip in Richtung des Felsens. Vielleicht gelang es ihm, von dort oben aus einen Blick ins Lager zu werfen.
War die Ebene vor dem großen Tor von jeglichem Grün befreit, so wucherte das Unterholz dicht am Felsen so üppig wie in der Wildnis ringsum. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, hier zu roden. Die Büsche und Brombeerhecken schützten den Fels besser als der verschlafene Wächter am Tor. Mühsam quälte Philip sich durch das Gestrüpp, achtete darauf, seine Kleidung nicht zu zerreißen oder sich allzu sehr von den Dornen zerkratzen zu lassen, bis seine Hand endlich den kühlen Stein des Felsens berührte. Moos wuchs auf den überstehenden Kanten, zum Glück war der Regen der vergangenen Tage längst getrocknet, sodass Philip beim Aufstieg ausreichenden Halt fand. Bäuchlings schob er sich vorwärts, um einen ersten Blick in Barbarossas Lager zu werfen.
Was er sah, übertraf alles, was er erwartet hatte. Dies war kein einfaches Lager wilder Männer, es war ein ganzes Dorf. Er zählte siebzehn kleine Hütten, darunter sogar eine Schmiede, vor der ein Pferd zum Beschlagen stand. In der Mitte des Dorfes brannten mehrere Feuer, an denen Wildschweine und Rehe am Spieß gebraten wurden. Zu seinem Erstaunen sah Philip auch einige Frauen. Nicht so wild und schön wie Thea, sondern einfach gekleidete Landweiber, die meisten nicht mehr ganz jung, stämmige Matronen, die sich um das Essen kümmerten.
Unmittelbar unter sich entdeckte er eine weitere Hütte, die eng an die Felswand gebaut war. Sie war größer als alle anderen und das Dach mit Schindeln gedeckt. Vermutlich Barbarossas Haus.
Tatsächlich, denn soeben erkannte er Theas roten
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