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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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kommt«, sage ich zu meinem längst toten Vater. »Das ist alles, ich warte nur darauf, dass die Sonne scheint, und dann verschwinde ich von hier.«
    »Na, wenn das so ist, dann ist es ja ganz einfach.«
    Ich schlucke, schmecke Hoffnung. »Was meinst du damit?«
    Der alte Mann greift nach der in Papier eingewickelten Flasche und hebt einen seiner zerlumpten Arme. Er öffnet seine Finger und die Flasche fällt zu Boden. Mit einem Geräusch, das sich anhört wie das Schreien eines Babys, zerschmettert die Flasche auf dem kalten Boden und versprüht Rotwein und Glas.
    Ich warte darauf, dass eine Wache kommt, aber das geschieht nicht.
    Ich drehe mich wieder zu meinem lieben Vater um. Die einzige Erinnerung, die mir von ihm geblieben ist, besteht aus dem Geruch von Alkohol und der Größe und Wucht seiner Faust.
    Daraus und aus jenem Abend, an dem ich ihn in seinem Schuppen gefunden habe, wo er auf seinem Stuhl hing und irgendetwas, das aussah wie Rotwein, aus seinen Handgelenken quoll und den Teppich unter ihm verfärbte.
    »Da ist dein Weg nach draußen«, sagt mein Vater und nickt mit seinem von Schatten umgebenen Kopf in Richtung Boden.
    Ich blicke stirnrunzelnd auf den kleinen Teich aus Wein und Glas. »Da ist nichts.«
    »Ich weiß, du hörst mir ja nicht zu. Aber gut, wenn du willst, dass der Morgen kommt, dann sieh genauer hin.«
    Ja, ich will, dass der Morgen kommt, und ich glaube, das sage ich ihm auch. Denn das bedeutet, dass ich frei bin, dass ich dieses Gebilde der Folter verlassen und in die freie Welt hinaustreten kann.
    Aber die Nacht …
    »… gehört allein dir, wenn du sie willst. Wenn du wirklich willst, dass dieser Schmerz verschwindet, dann musst du nur durch dieses Loch klettern, in den Fluss hinunterspringen und dich davontreiben lassen.«
    Ich schlucke. Schmecke Blut. »Ich sehe kein Loch.«
    »Doch, tust du. Es ist da. Es war immer da. Die Menschen verstehen einfach nicht, dass ihnen alles gehören kann, wenn sie nur ganz genau hinschauen. Nimm beispielsweise diese Papiertüte. Ich habe hingesehen und sie gefunden. Jetzt ist sie immer bei mir, genau, wie dieser Ort immer bei dir sein wird.«
    »Aber ich werde diesen Ort verlassen.«
    »Wie du willst.«
    Und dann sehe ich das Loch. Es ist gerade groß genug, dass ich hindurchschlüpfen kann. Es ist, als sei der verschüttete Wein irgendeine Säure und habe sich direkt durch den Beton gefressen. »Wohin führt es?«, frage ich.
    »Spring hinunter und finde es heraus.«
    Ich gehe auf die Knie. Ich höre das Glas knirschen, spüre Stiche an meinen Knien und Händen, aber sie stören mich nicht. Ich blicke in das Loch hinunter. Ich sehe einen Fluss, der keine zwei Meter vor meinem Gesicht vorbeirauscht. Einen tiefroten Fluss mit cremeweißen Strähnen, so als habe jemand Milchfäden in eine Tube Ketchup geschüttet. Er riecht ekelhaft süß. Ein bisschen wie Wein.
    »Spring einfach in den Fluss und lass dich davontreiben, dann wird schon bald morgen sein und du wirst …«
    »Frei sein«, beende ich den Satz. Ich frage mich, ob schon andere Gefangene auf seinen roten Fluten in die Freiheit geschwommen sind.
    »Mach schon«, drängt mein Vater. »Du kannst es. Es ist dein Schicksal. Wenn du es nicht tust, wird die Nacht niemals enden.«
    Ich nicke. Ich muss mich von meinem Vater verabschieden und mich bei ihm bedanken, aber als ich mich umdrehe, sitzt er nicht mehr da.
    Aber sein Geruch füllt noch immer meinen Kopf, während ich am Rand des Lochs sitze und mich dann langsam hinuntergleiten lasse.
    Ich klammere mich am Rand des Lochs fest, bis meine Arme ganz ausgestreckt sind und ich bis zu den Knien im Fluss stehe. Ich werfe einen letzten Blick auf den kleinen Teil meiner Welt, den ich noch sehen kann, meiner Welt der letzten 15 Jahre, und dann lasse ich los.
    Ich falle in den Fluss, schlucke einen Mundvoll salziges Wasser, als mein Kopf untertaucht. Nachdem ich zurück an die Oberfläche komme, sehe ich, wie über mir Rohre vorbeisausen.
    Anfangs habe ich Angst. Die Strömung des Flusses ist schnell und ich weiß nicht, wohin sie mich bringt. Das Wasser ist warm, nicht kühl und erfrischend, wie ich es erwartet hatte. Und es ist klebrig.
    Der Fluss schlängelt sich durch den düsteren Korridor aus Stahl und Beton.
    Schon bald wird meine Umgebung heller. Ich beginne mich zu entspannen. Ich bringe meine Beine an die Oberfläche, lege mich auf den Rücken und lasse mich von dem Strom mitreißen.
    Der Schatten der Nacht hebt sich und gibt das

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