Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Kopf aus dem Loch, während das Dröhnen des Motors immer lauter wurde. Er erhaschte einen Blick auf die Scheinwerfer, die sich durch die Nacht näherten, und zog seinen Kopf wieder zurück.
»Scheiße«, winselte er erneut, und dabei klang seine Stimme eine Oktave höher.
Er saß in der Falle. Er würde ganz sicher entdeckt werden. Aber was dann? Würde Edmund ihn erschießen, wie sein Schild es versprach? Würde er ihn in seinen Wohnwagen mitnehmen und foltern? Würde Edmund mit ihm in die Stadt fahren und ihn einem seiner Kunden als kleine Aufmerksamkeit überlassen? Vielleicht würde er ihn ja auch verschonen. Vielleicht konnte George ja einfach behaupten, er habe einen über den Durst getrunken, sei nur zufällig auf der Müllkippe gelandet, in die Grube geplumpst und habe dort seinen Rausch ausgeschlafen.
Klar, das würde er mir sicher glauben. Sieh’s ein, George, wenn er dich erwischt, bist du am Arsch.
Falls das tatsächlich passierte, konnte George nur hoffen, dass Bobby nicht auf die falsche Bahn geriet. Wenn sich jedoch niemand mehr um ihn kümmerte und dafür sorgte, dass er in seinem Leben nicht vom rechten Weg abwich, bezweifelte George das ganz stark.
Mein Gott, noch bist du nicht tot! Also reiß dich gefälligst zusammen und denk darüber nach, wie du hier wieder rauskommst!
Angesichts der Tatsache, dass sich ihm nur eine sehr begrenzte Auswahl an Verstecken bot und ihm die Zeit weglief, schätzte George seine Chancen, den nächsten Morgen noch zu erleben, eher gering ein.
Denk nach, denk nach, denk nach …
Die Idee traf ihn wie ein Hammerschlag auf den Hinterkopf.
Allein der Gedanke machte ihn krank. George war sich alles andere als sicher, ob er die Sache wirklich durchziehen konnte, aber es war das Einzige, was ihm in diesem Moment einfiel.
Er legte sich auf die toten Tierfragmente und Müllsäcke. Mit zusammengebissenen Zähnen begann er, einzelne Teile auf seinen Körper zu schaufeln, bis sie ihn wie eine Decke aus Haut und Knochen vor Blicken verbargen.
Nachdem er auch seinen Kopf mit einem großen Stück Tierkadaver bedeckt hatte, blieb er reglos liegen und hoffte, zwischen all dem Abfall um ihn herum nicht mehr auffindbar zu sein.
Während er zwischen den menschlichen und tierischen Überresten lag und seine Augen und Lippen fest zusammenpresste, lauschte George dem glucksenden, rumpelnden Stottern des Lieferwagens, das weiter an Intensität gewann.
Irgendwann schien der Lieferwagen direkt über ihm zu stehen. Das Motorengeräusch verwandelte sich in ein leises, beständiges Brummen und dann hörte George, wie die Tür geöffnet wurde.
Er wartete. Eine lange Stille folgte.
Irgendetwas streifte seine Hand. Beinahe hätte er laut aufgeschrien, aber es gelang ihm, den Schrei hinunterzuschlucken.
Die Stille schien sich bis in alle Ewigkeit zu erstrecken und George begann sich zu fragen, ob Edmund womöglich schon wieder verschwunden war. Vielleicht würde doch alles gut werden, machte er sich Mut.
Doch dann hörte er jemanden reden, schwach und gedämpft.
Georges erster Gedanke war, dass Edmund mit dem Opfer eines seiner Kunden plauderte, das er hierher gebracht hatte. Vielleicht suchte er ja einen Freund für das Opfer, das bereits bei ihm zu Hause »wohnte«.
Doch je länger sie sich unterhielten, desto mehr kam es George wie eine freundliche Plauderei vor.
Also kein Opfer.
Es musste ein Freund sein.
Aber Edmund hatte keine Freunde, zumindest nicht, soweit George wusste. Dann kam ihm ein Gedanke, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: Vielleicht war es ja auch einer der Killer aus der Stadt, einer von Edmunds Kunden.
Oh mein Gott …
»Die da?«
Die Worte klangen nach Edmunds leicht gedämpfter Stimme – abgenutzt und rau wie eine geliebte, gut eingetragene Lederjacke.
»Ja, die da.« Die zweite Stimme klang weicher, höher.
Bobby?
Sie hatte genau wie die Stimme seines Jungen geklungen. Aber das konnte nicht sein.
Plötzlich fiel etwas entsetzlich Schweres auf George hinunter.
Er musste sich zusammenreißen, um nicht vor Schmerzen aufzuschreien.
Kurz darauf wurde George erneut von irgendetwas getroffen, doch diesmal schien das Gewicht glücklicherweise deutlich geringer zu sein.
Mein Gott, ich werde hier lebendig begraben, verdammt noch mal!
»Bist du sicher, dass du zuschauen möchtest?«, fragte Edmund und seine Stimme klang jetzt noch gedämpfter. »Das kann ganz schön stinken. Wenn das ganze tote Fleisch erst mal brutzelt …«
»Ich schau mir
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