Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Müllsäcke mit den Leichenteilen – oder im Falle der etwas Zimperlicheren unter ihnen: noch nicht zerlegten Opfern – abholte. Dann fuhr er mit den Leichnamen wieder zurück zu seiner Müllkippe und entsorgte sie, ohne dass jemand Fragen stellte. Denn solange seine Methoden legal waren, war es Edmunds gutes Recht, seinen Müll so zu entsorgen, wie er es für richtig hielt. Daher zuckte auch niemand mit der Wimper, wenn Edmund mal wieder eines seiner Feuer entzündete. Sie wussten ja nicht, was er, abgesehen von den Abfällen aus dem Schlachthaus, noch so alles verbrannte.
George war sich nicht ganz sicher, was die exakte Zahl seiner Kunden anging, aber aufgrund seiner Unterhaltungen mit Tony schätzte er, dass Edmund mit knapp hundert Mördern in der nahen Metropole Geschäfte machte – eben mit allen, die der Meinung waren, dass die altmodische Art der Leichenentsorgung à la John Wayne Gacy viel zu riskant war und immer darauf hinauslief, dass man geschnappt wurde.
George hieß das mörderische Treiben seines Bruders nicht gut, aber er würde Tony trotzdem nicht an die Bullen ausliefern. Immerhin ging es hier um seinen Bruder, sein eigenes Fleisch und Blut. Tony hatte George praktisch großgezogen, nachdem ihre Mutter gestorben war. George war damals acht Jahre alt gewesen und sein Vater hatte immer tiefer ins Glas geschaut. Er hatte bereits zahlreiche lange Gespräche mit seinem Bruder darüber geführt, weshalb er den Drang verspürte, Leute umzubringen. Er hatte ihn sogar angefleht, damit aufzuhören, aber trotz wiederholter Versprechen schaffte Tony das ebenso wenig, wie ein Spieler oder Junkie sich von seiner Sucht befreien konnte.
Und so schwieg George weiterhin über die ruchlosen Taten seines Bruders. Was ging es ihn es schließlich auch an? Die Menschen würden sich sowieso immer gegenseitig umbringen – das lag in der menschlichen Natur. Was würde es, im Großen und Ganzen betrachtet, schon ändern, ob man nun einen mehr oder weniger einsperrte?
George nahm an, dass Edmund vermutlich einer ganz ähnlichen Philosophie folgte. Warum hätte er sich sonst bereit erklären sollen, Tony – und all den anderen Killern – zu helfen, als dieser vor sieben Jahren an ihn herangetreten war, während Edmund gerade seine übliche Abfuhr erledigte? Nach allem, was George heute Abend gehört hatte – oder glaubte, gehört zu haben –, beschlich ihn jedoch der Verdacht, dass Edmund in Tonys Fall einen persönlicheren Grund hatte, ihm zu helfen, als bei den anderen Mördern.
George hatte kurze Zeit später vom Arrangement der beiden erfahren. Tony hatte eines Nachts alles ausgeplaudert, nachdem sie gemeinsam eine ganze Flasche J&B geleert hatten: wie Edmund Tonys »schmutzige Wäsche« abholte – das war ihr Codewort für eine Leiche – und dafür eine kleine Aufwandsentschädigung in bar erhielt. Durch diese geringen Zusatzausgaben war der Mörder nicht nur von den Scherereien befreit, die die Entsorgung der Leiche bedeutete, sondern konnte auch ganz beruhigt sein, dass sämtliche Beweise restlos zerstört wurden.
So grauenvoll die ganze Angelegenheit auch sein mochte, George musste gestehen, dass es nach einem guten Geschäft aussah.
Anscheinend hatte Tony über »Freunde« von Edmunds Nebentätigkeit erfahren und das Ganze sofort für eine großartige Idee gehalten. Georges Bruder zufolge betrieb Edmund sein erfolgreiches Nebengeschäft bereits seit knapp 30 Jahren. Soweit George wusste, hatten die Bullen keinen blassen Schimmer, was da hinter ihrem Rücken passierte.
George hatte Tony versprochen, Stillschweigen über Edmunds Nebenerwerb zu bewahren, und bis zur heutigen Nacht hatte er dieses Versprechen auch nicht gebrochen.
George liebte seinen Bruder, aber er wollte verdammt sein, wenn er dabei zusehen würde, wie sein einziges Kind in Tonys Fußstapfen trat.
Er würde Bobby zeigen, was Morden wirklich bedeutete. Wie tote, verstümmelte Menschenreste aussahen und rochen. Bobby musste die Folgen seines mörderischen Treibens erkennen. Er musste einen derartigen Schock erleiden, dass er Vögeln nicht mehr die Köpfe abreißen und Katzen nicht mehr die Bäuche würde aufschlitzen wollte.
»Wirf Mojo in die Grube da«, befahl George seinem Sohn und deutete auf das am nächsten gelegene Loch im Boden. In seinem Mund machte sich allmählich ein fauliger Geschmack breit, so als wäre seine Zunge mit einer dicken Schicht aus Schimmel überzogen.
Bobby schleuderte die Mülltüte in das Loch. »Auf
Weitere Kostenlose Bücher