Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Almus. »Ich bin auch überfahren worden.« Almus humpelte weiter auf ihn zu und der Schein des Feuers offenbarte sein wahres Äußeres.
Sein Schlüsselbein hatte sich durch seinen Hals gebohrt und stand heraus, sodass sich sein Kopf zur Seite neigte. Einer seiner Arme fehlte. Er war am Ellbogen abgerissen, während sich der andere in einem makabren Winkel nach hinten bog und merkwürdig wackelte, wenn Almus sich bewegte. Sein Oberkörper war blutverschmiert und durch seine zerrissenen Kleider konnte Craig mehrere tiefe, übel aussehende Wunden erkennen. Aus ihnen schienen Flüssigkeiten in allen Farben des Regenbogens zu tropfen, während sein Unterleib nur noch aus einer wirren Ansammlung von Eingeweiden, Fett und Muskeln bestand. Irgendein glänzendes, matschiges Organ rutschte aus der Öffnung in seinem Bauch und klatschte auf den Boden. Mit einem Lächeln zerquetschte Almus es, als er weiter auf den fassungslosen Craig zutaumelte, der noch immer befürchtete, sich übergeben zu müssen.
Almus schnupperte in die Luft. »Ah, der Duft der Freiheit!«, rief er aus und stellte seine schwarze, geschwollene Zunge zur Schau. Er legte eine Hand auf seinen Kopf, der nur noch aus blutigen Haaren und zersplitterten Schädelknochen bestand. »Der alte Wilmer war fix, das muss man ihm lassen. Und weißt du, was? Seine hat noch viel widerlicher gestunken als meine. Du hast Glück gehabt. Wilmers Seele war fast 100 Jahre in ihrer Dose gefangen, bevor ich gekommen bin. Hab auch eine ganz schöne Summe dafür bezahlt.«
Craig wusste, dass er den Jeep oder die Straße erreichen musste, dass er vor dieser … Kreatur, diesem Wahnsinnigen fliehen musste.
»Ich bin weder ein Geist noch eine Seele. Ich bin eine Art seelenlose, physische Erscheinung meines toten Selbst. Ohne Seele kann ich diese Welt nicht verlassen. Aber all das wirst du selbst noch herausfinden. Siehst du, du hast die Dose gekauft und sie geöffnet – nun musst du die Folgen tragen. Eine Seele ersetzt die andere. So wie meine die von Wilmer ersetzt hat. Wilmer war nicht der Erste und du wirst nicht der Letzte sein.«
Almus’ zerschmetterter Körper schwankte weiter auf ihn zu.
Craig nahm die widerlichen Dämpfe, die der Dose entwichen, längst nicht mehr wahr. Alles, was er nun noch riechen konnte, war Almus: seine intensiven, noch ekelhafteren Ausdünstungen. Eine Mischung aus Blut, Fäkalien und Tod.
Eine innere Stimme brüllte Craig zu: Renn weg!
»Du bist mein Erlöser, Craig. So wie ich Wilmers Erlöser war. Da ist nur noch eine allerletzte Sache, die erledigt werden muss, bevor ich vollkommen frei bin.«
Craig rannte. Er rannte zum Highway, ließ Almus’ verstümmelte Gestalt zurück – oder wer immer dort hinten wirklich stand. Ließ sie allein in ihrer verrückten Welt aus Seelen und überfahrenen Tieren, während sie ihm nachrief: »Wer wird dein Erlöser sein, Craig?«
Craig rannte an Kiefern vorbei und sprang über Büsche hinweg. Der Mond wies ihm den Weg zum sicheren Highway. Die Nacht blieb still, als würde er von sämtlichen Kreaturen beobachtet. Sobald er die Straße vor sich erkannte, rannte er noch schneller – mit voller Blase und Tränen in den Augen, während in seinem Kopf ein Wirbelsturm aus Entsetzen und Verwirrung tobte. Er hörte Almus’ Lachen, ein fröhliches Gackern, und dann schien ihm plötzlich ein blendendes Licht in die Augen. Die Kreatur, die sich auf ihn stürzte, stieß einen kreischenden Schrei aus, die Lichter wurden immer größer und …
Craig spürte einen entsetzlichen Schmerz, so als werde sein ganzer Körper auseinandergerissen … und dann fühlte es sich an, als würde noch etwas ganz anderes auseinandergerissen, aber da war kein Schmerz mehr. Nur das Gefühl, als verlasse er seinen Körper, dann das Lächeln eines Mannes, ein hinterhältiges, wissendes Lächeln …
Ein Auto fuhr auf den Seitenstreifen: ein Kombi mit einer Rückbank voller Kinder und auf dem Dach festgebundenen Koffern. Der Fahrer, ein rundlicher, rotgesichtiger Mann, sagte etwas zu der Frau, die neben ihm saß, stieg dann aus dem Wagen und wackelte auf den Stand zu.
Das könnte es sein, dachte Craig. Oh, bitte, lass es ihn sein.
»Hallöchen«, sagte der Mann und wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab. Er trug kurze Hosen, die viel zu eng für ihn waren, eine Baseballmütze mit dem Logo der Yankees und ein T-Shirt, auf dem Unterstützt unsere Truppen – unterstützt Bush! stand.
Im Auto lachten und kreischten die
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