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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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jugendlichen Belagerer hier gewütet.
    Der Prediger empfing ihn in einem kargen Gemach im ersten Stock, in dem nur noch ein gewebter Wandteppich von der einstigen Pracht des Gebäudes und dem soliden Reichtum seiner Bewohner zeugte.
    »Du beweist Mut, dich ausgerechnet hierher zu wagen!«, zischte er dem Richter entgegen, bevor dieser auch nur den Mund aufmachen konnte. »Oder sollte ich es eher Dreistigkeit nennen? Was hast du heute in deinen Taschen, um meine geliebten Söhne noch elender zu machen?«
    Enea di Nero starrte ihn verständnislos an.
    »Soll ich dich gründlich filzen lassen? Ist es das, was du willst? Oder rückst du freiwillig damit heraus?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Ihr redet, padre .«
    »Dann willst du allen Ernstes behaupten, du wüsstest nichts von dieser infamen Lieferung verdorbener Eier, die alle so krank gemacht hat?«
    Verständnisloses Schulterzucken.
    »Einer von euch Verbrechern hat körbeweise Eier hierherschicken lassen, auf die meine Söhne sich hungrig gestürzt haben. Wenige Stunden später – und nahezu alle haben über scheußliche Schmerzen geklagt. Die meisten litten unter Erbrechen und Durchfall; zwei von ihnen ringen noch mit dem Tod. Welch feiger, hundsgemeiner Anschlag!«
    Der Prediger sah aus, als wolle er sich im nächsten Augenblick auf den ungebetenen Besucher stürzen.
    »Doch alle Hinterlist und Tücke werden euch auf Dauer nichts nützen.« In seinem langen Bart hatten sich Essensreste und silbrige Speichelfäden verfangen. Angewidert wich der Richter zurück. »Denn ich allein bin der Prediger des Herrn. Und jene Auserwählten sind alle meine geliebten Söhne.«
    »Genau deswegen bin ich hier. Um mit Euch über meinen Sohn Giovanni zu reden …«
    »Giovanni! Einer der Besten, wie ich einmal dachte. Doch er hat mich bitter enttäuscht. Ich kenne keinen Giovanni mehr. Und jetzt geh! Das Gebet ruft nach mir.«
    »Mein Junge ist krank, seitdem er bei Euch war. Er redet von Sünde, von schwerer Schuld. Er fiebert, die schlimmsten Worte kommen über seine Lippen …«
    Padre Bernardo hatte den Arm des Richters wie mit Eisenkrallen umklammert und zerrte ihn unbarmherzig nach draußen.
    »Sieh hinunter!«, befahl er. »Was siehst du da?«
    Enea schaute auf die Köpfe der Engel, eine Horde verlauster, hungriger Kinder, die kein Zuhause mehr hatten.
    »Verlorene«, entfuhr ihm unwillkürlich, und genau das meinte er auch.
    »Verlorene? Was redest du für wirres Zeug? Das sind Auserwählte, du Dummkopf, Söhne des wahren Vaters. Lichtgestalten! Meine Liebe macht sie stark. Und da wagst du, ihre Reinheit anzuzweifeln?« Die brennenden Augen schienen di Nero regelrecht zu durchbohren. »Oder tust du das, weil bei ihrem Anblick lüsterne Begierde in dir erwacht ist? Weil du begehrst, was lediglich dem Vater zusteht? Bist du einer jener Verdammten, für die es niemals Gnade und Erlösung geben wird? Dann gestehe und büße auf der Stelle!«
    Es war, als würden diese Worte in seinem Kopf explodieren. Eneas Gesicht wurde fahl, die Beine begannen zu zittern. Unwillkürlich tastete er nach einem Halt. Wieso war er überhaupt hier? Er hätte Bices unsinnige Forderungen gleich ablehnen sollen. Sich diesem Wahnsinnigen auszusetzen – er musste selber dem Wahnsinn nahe sein!
    »Ich verwahre mich gegen diese haltlosen Behauptungen.« Die Worte waren halbwegs gut formuliert, seine Stimme jedoch klang brüchig. »Ihr begreift wohl nicht, wen Ihr vor Euch habt. Ich bin Richter di Nero – ein Ehrenmann dieses ehrenwerten Siena!«
    Die Ader an Bernardos Stirn schwoll an. »Du weißt genau, dass ich die Wahrheit sage. All eure Masken und Verkleidungen werden sinnlos, sobald der Tag des Gerichts angebrochen ist. Dann gibt es nur noch die reine, die ungeschminkte Wahrheit – die Wahrheit des Allmächtigen.«
    Er sank in sich zusammen, als habe ihn sein Ausbruch zutiefst erschöpft. Sofort waren zwei der Engel an seiner Seite, um ihn links und rechts zu stützen.
    »Verschwinde!«, zischte der Prediger, als er sich wieder halbwegs aufgerichtet hatte. »Und komm nie wieder hierher, sonst werde ich dein Geheimnis schon in meiner nächsten öffentlichen Predigt lüften!« Blanke Bosheit funkelte in seinen Augen. »Oder soll ich deinen Kumpanen lieber schon heute Bescheid geben? Beim nächsten Anschlag auf meine Söhne jedenfalls bist du fällig, hast du mich verstanden?«
    Der Richter drehte sich wortlos um und machte, dass er so schnell wie möglich davonkam. Johlen und

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