Die Sünderin von Siena
für möglich.«
»Das kann nicht Euer Ernst sein, Messer di Cecco! Mäßigt Euch doch bitte – Ihr redet immerhin von Eurer Frau!«
Lupos Schultern sackten noch tiefer herab.
»Meine Frau!«, jaulte er auf. »Ich erkenne diese Frau kaum wieder, die sogar meinen ehrbaren Namen ablehnt. Gemma hat sich geweigert, mir die Kinder zu schenken, nach denen ich mich so sehr gesehnt habe. Sie hasst Kinder – habt Ihr jemals in Eurem Leben eine Frau so etwas sagen hören? Sie muss krank sein – oder verrückt, und ich weiß nicht einmal, was das Schlimmere wäre.« Er barg das Gesicht in seinen Händen.
»Ihr seid verletzt und betrübt«, rief der Rektor. »Denn das Verhalten vom Monna Gemma ist in der Tat unverzeihlich. Doch Ihr könnt sie zwingen zurückzukehren und zu tun, was ihre Pflicht ist, das wisst Ihr. Das Recht ist auf Eurer Seite.«
»Was würde das schon nützen? Wenn ihr Verstand nicht länger klar ist und sie dazu bringt, Dinge zu tun, die man sich lieber gar nicht vorstellen mag? Ich sorge mich um sie, Messer Barna. So sehr, dass ich Tag und Nacht kein Auge mehr zumachen kann. Was, wenn sie sich insgeheim noch tiefer in Schuld verstrickt hat, als wir beide es hier und jetzt zu erahnen vermögen?«
Barna räusperte sich verlegen. Diesen stets so beherrschten Mann jetzt verzweifelt vor sich zu sehen, derart aufgelöst und ohne Hoffnung, bereitete ihm tiefes Unbehagen. Er musste Mittel und Wege finden, um ihn zu ermutigen. Vielleicht wäre di Cecco dann doch noch zu bewegen, aktiv auf der Seite der Verschwörer mitzukämpfen.
»Was den Tod des kleinen Mauro betrifft, so gibt es seit Neuestem die Aussage eines anderen Kindes, das in der betreffenden Nacht einen Mann im dunklen Umhang vor dem Haus gesehen hat.« Der Rektor bemühte sich, ruhig und klar zu reden. Das müsste seiner Erfahrung nach auch sein Gegenüber besänftigen. »Wir haben Anlass, anzunehmen, dass er etwas mit dem Ableben des Kleinen zu schaffen haben könnte.«
Di Cecco hob den Kopf. Seine Züge wirkten wie erloschen.
»Das Kind hat ihn gesehen?«, fragte er. »Tatsächlich gesehen ? Das hat es ausgesagt?«
»Ja, das hat es, da müsst Ihr gar nicht so ungläubig dreinschauen! Die kleine Cata, die im Haus jener Mamma Lina lebt, ist zwar nicht ganz richtig im Kopf, wie jeder in Siena weiß, dafür aber unschuldig wie ein Lämm chen. Ich hab sie wieder und wieder streng befragt. Und stets lautete ihre Antwort gleich: Sie habe den schwarzen Mann gesehen. D en swarzen Mann ! Eine Spur, die wir weiterverfolgen müssen.«
»Ich wünschte so sehr, ich könnte Euch Glauben schenken.« Lupo di Ceccos helle Augen blickten flehentlich. »Und wünschte weiterhin aus tiefster Seele, die guten Geister unserer Vergangenheit würden Gemma zur Umkehr bewegen. Klar soll sie wieder werden, fröhlich und unbefangen, wie sie einst war – nichts anderes hab ich im Sinn.«
»So liebt Ihr sie noch immer?« Der Rektor war voller Anteilnahme. »Ihr seid ein wahrhaft großer Mann, Messer di Cecco, ein Mann, mit einem Herzen aus purem Gold!«
»Kann ich denn anders?« Verzweifeltes Kopfschütteln, das nicht enden wollte. »Was sie auch tut, sie ist und bleibt doch ein Teil von mir. Könntet Ihr Euch vorstellen, ohne Euren Kopf weiterzuleben? Ohne Eure Schultern? Oder Euren Rumpf? Genauso verhält es sich auch mit Gemma und mir. Keiner vermag uns beide jemals zu trennen – nicht einmal der Tod.«
❦
Anfangs hatte Gemma Lavinias schrille Keiftirade geflissentlich überhört, aber als diese gar nicht mehr aufhören wollte, ging sie doch nachsehen. Sie war offenbar nicht die Einzige, die neugierig geworden war. Vor der offenen Tür, die zu dem kleinen Raum führte, in dem Mario schlief, standen Seite an Seite bereits Lucia und Teresa, die sich kein Wort der Auseinandersetzung zwischen ihrer Mutter und dem rot angelaufenen tedesco entgehen lassen wollten.
»Hast du vollkommen den Verstand verloren, Mario? Klatschnasse Kleidung einfach zuunterst zu den trockenen Sachen in die Truhe stopfen! Das gibt doch lauter Schimmel und Stockflecken – jetzt können wir dein neues Wams und deine Schecke nur noch verbrennen!«
»Und wenn schon!« In Marios Gesicht stritten sich Scham und Trotz. »Das ist doch nur Stoff – und nichts weiter.«
»Nur Stoff?«, schäumte Lavinia. »Hast du vielleicht eine Ahnung, wie hart dein geliebter zio dafür arbeiten muss? Wir sind keine reichen Leute, Junge, auch wenn du das vielleicht glaubst. Niemand in diesem Haus darf so
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