Die Sünderin von Siena
Pfiffe begleiteten seinen unrühmlichen Abgang.
Ursprünglich sind wir Verschwörer angetreten, um die Dämonen aus unserer schönen Stadt zu vertreiben, dachte Enea di Nero, innerlich noch immer halb betäubt, als das Tor sich hinter ihm geschlossen hatte. Aber leider haben wir dazu ausgerechnet Beelzebub als Verbündeten gerufen. Inzwischen sitzt der Teufel uns allen im Genick wie eine haarige Krake. Und es sieht nicht so aus, als ließe er sich so einfach wieder vertreiben.
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»Ich danke Euch, Messer di Cecco, dass Ihr meiner Einladung so rasch gefolgt seid. Und greift doch bitte zu – ich habe eigens für Euch eine bescheidene Erfrischung bringen lassen.«
Ungewohnt üppig die Silberplatte, beladen mit geschnittenem Wildschweinschinken, Feigen und Pecorino; dazu eine edle Karaffe, in der rubinroter Wein im späten Sonnenlicht funkelte, das durch das Fenster fiel. Allerdings schien der Gastgeber ebenso wenig Interesse daran zu haben wie sein Besucher, der von den angebotenen Köstlichkeiten bislang nicht einmal Notiz genommen hatte.
Der Blick des Rektors glitt abermals zu dem halben Dutzend prall gefüllter Säckchen, die ebenfalls auf seinem Tisch standen.
»Und Ihr kommt noch dazu mit solch offenen Händen. Ihr seid ein echter Wohltäter, mein Freund!«
»Wohl und Segen von Santa Maria della Scala und seinen Schutzbedürftigen liegen mir sehr am Herzen, wie Ihr ja wisst. Und was die andere Angelegenheit betrifft, so könnt Ihr ebenfalls nach wie vor ganz und gar auf meine Unterstützung zählen.«
»Ihr habt Eure Meinung geändert?« Barna begann zu strahlen. »Und seid jetzt doch bereit, Euch aktiv an unserem Vorhaben zu beteiligen? Welch trefflicher, welch wunderbarer Entschluss!«
»Nein, nein, das kann und will ich nicht.« Lupo di Cecco hob beschwichtigend die Hände, bevor er sich in einer müden Geste über die Stirn strich. »Schon gar nicht jetzt … nach allem, was mir widerfahren ist.«
Eine Antwort, die Barna gründlich missfiel. Doch er war nicht bereit, klein beizugeben. Das risikoreiche Pro jekt konnte noch immer fehlschlagen, selbst im allerletzten Augenblick. Einen Mann wie di Cecco als öffentlichen Verbündeten zu gewinnen, was ließe sich Besseres vorstellen?
»Der strenge Arrest Eurer Frau ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben, das hab ich Euch bereits in meinem kurzen Schreiben mitgeteilt. Mittlerweile haben sich vollkommen neue Anhaltspunkte ergeben, die den Verdacht gegen sie als haltlos erscheinen lassen«, sagte er.
»Seid Ihr Euch da sicher?« Lupo di Cecco stützte sich schwer auf die Tischplatte, als hätten ihn plötzlich alle Kräfte verlassen.
»Was wollt Ihr damit sagen? – Braucht Ihr einen Stuhl? Ihr seht mit einem Mal so elend aus.«
Ein schwaches, kaum sichtbares Nicken.
Der Rektor schob ihm die nächstbeste Sitzgelegenheit unter, und di Cecco ließ sich ächzend wie ein Schwerkranker auf ihr nieder.
»Ich muss Euch um Verschwiegenheit bitten«, flüsterte er. »Das zu allererst. Denn was ich Euch anzuvertrauen habe, darf niemals in falsche Ohren gelangen.«
Der Rektor legte die Hand aufs Herz. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Messer di Cecco«, versicherte er. »In allem! Meine Lippen sind versiegelt.«
»Sie hat es schon wieder getan«, stieß di Cecco hervor. »Beinahe, als ob höllische Dämonen oder sogar Satan selbst sie verführt hätten! Wo ist die Gemma, die ich einst vor Gottes Angesicht zum Weib genommen habe? Eine Heilige habe ich damals gefreit – und sehe mich jetzt einer Sünderin gegenüber.«
»Was hat sie getan?«
»Heimlich mein Haus verlassen – unser schönes Haus,
in dem wir so glücklich miteinander gelebt haben.« Er stieß ein Seufzen aus. »Und das, noch bevor Ihr den Arrest aufgehoben hattet, geschätzter Rektor. Ich vermag mein Weib nicht länger zu halten, das muss ich voller Scham vor Euch eingestehen. Mein Einfluss auf sie scheint ganz und gar erloschen. Gemma hat sich verändert, schert sich nicht länger um Recht, Anstand oder Moral. Beinahe, als würden keine Gesetze und Regeln mehr für sie gelten, als sei sie vielmehr bestrebt, all das, was uns stets wert und wichtig war, blindlings mit Füßen zu treten.«
»Sie lebt wieder bei ihrem Vater?«
»Woher soll ich das wissen? Vielleicht ist sie ja auch bei einer dieser Waisenmütter untergekrochen, wie sie es schon einmal getan hat. Oder sie trifft sich ganz ungeniert mit einem Liebhaber, um weiterhin nach Herzenslust zu huren und zu sündigen. Ich halte alles
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