Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
wie von einem Magneten.
    »Bleibt ja ganz nah bei mir!«, rief Bartolo besorgt. »Sonst verliere ich euch noch aus den Augen.«
    Die beiden Jungen vor ihm nickten und ließen sich trotz ihres Eifers leicht zurückfallen. Am liebsten hätte er sie wie Kleinkinder links und rechts an der Hand geführt, aber da das nicht möglich war, bemühte er sich, ihnen wenigstens ganz nahe zu bleiben.
    Zwei junge grauweiße Kuttenträger versperrten ihnen mit gebieterischer Geste den Weg.
    »Durchgang verboten!«, sagte der eine von ihnen, der schlank war und ein schmales rötliches Fuchsgesicht hatte. »Hört ihr nicht, ihr verstocktes Sünderpack, dass padre Bernardo schon mit seiner Predigt begonnen hat?«
    »Aber wir müssen durch!«, rief Bartolo. »Es geht um Leben und Tod.«
    »Ihr werdet ohnehin alle in der Hölle braten«, entgegnete der zweite, kräftigere Engel mit breitem Grinsen. Eiterpusteln blühten auf seinen Wangen und sein Atem stank, als ernähre er sich ausschließlich von rohen Zwiebeln. »Was macht es da schon aus, ob es etwas früher oder später geschehen wird?« Sein Blick wurde scheel. »Wen hast du denn da alles Leckeres dabei, Alterchen? Etwa einen heimlichen Vorrat für trübe Tage und einsame Nächte?«
    »Was fällt dir ein, zio Bartolo derart unverschämt anzugehen?« Furchtlos funkelte Mario die beiden Jugendlichen an. »Er weiß, was er sagt, und ihr seid …«
    »Wie niedlich er sich aufspielt – und wie mutig er ist! Könnte dem padre gefallen, was meinst du?« Das Fuchsgesicht grinste seinen Kumpan vielsagend an. »Sollen wir den Kleinen gleich mitnehmen?«
    »Kommt!«, befahl Bartolo, der weitaus Schlimmeres befürchtete als ein paar verbale Rüpeleien. Raffis Gewicht auf der Schulter ließ ihn schwitzen und ächzen, aber er trug diese ungewohnte Last gerne. »Zum Streiten fehlt uns die Zeit. Wir suchen eben einen anderen Weg.«
    Doch in welche der schmalen, dunklen Gassen sie auch bogen, überall hinderten sie schon nach wenigen Schritten Bernardos dreiste Engel am Weiterkommen.
    »Was sollen wir nur machen?« Lelio begann vor Angst und Erschöpfung zu weinen. »Sie lassen uns nicht durch. Nirgendwo! Was, wenn wir wieder zu spät kommen?«
    »Das werden wir nicht!«, keuchte Bartolo. »Dann müssen wir eben ganz außen herum. Manchmal bringt einen nur der weiteste Weg ans Ziel.«

    ❦

    »Ein weiser Herrscher festigt sein Volk, und die Regierung seiner Ratgeber ist wohlgeordnet. Wie der Herrscher des Volkes, so seine Beamten, wie das Haupt der Stadt, so ihre Bewohner. «
    Die tiefe Stimme des Predigers schallte über den Campo, doch die Zuhörerschaft lauschte ihr längst nicht mehr so geduldig und andächtig wie bei früheren Auftritten.
    »Manche sagen, auch er habe seine Hände bei der Revolte mit im Spiel gehabt«, rief ein jüngerer Mann. »Und sie sich dabei sehr, sehr schmutzig gemacht.«
    »Ein frommer Mann sollte sich gar nicht um Politik scheren«, sagte ein anderer. »Und wenn er es doch tut, so ist er eben gar nicht so fromm.«
    »Und ich hab sogar läuten hören, dass der neue Rat diesem Bernardo jedes einzelne Wort in barer Münze aufgewogen hat«, meldete sich ein Dritter. »Jetzt ist er so reich geworden, dass er auf seinem Abtritt dicke goldene Lira scheißen kann!«
    Zustimmendes Lachen, vereinzeltes Johlen.
    »Ein König ohne Zucht richtet die Stadt zugrunde, aber volk reich wird die Stadt erst durch kluge Fürsten …«
    »Das haben wir Sienesen bislang auch schon ganz gut allein gekonnt!«, rief ein Weißbart. »Dazu brauchen wir keine fremden Pfaffen, die uns dazu erst noch anleiten wollen.«
    »W enn aber die Machthaber nicht edel und stark sind, so wird kein Heil über der Regierung liegen …«
    »Für uns wird sich doch ohnehin nichts ändern, egal, ob unsere Ratsherren nun Marconi oder Benincasa heißen.« Eine Aussage, die ringsum mit frenetischem Klatschen belohnt wurde. »Was macht das schon für einen Unterschied? Wir müssen weiterhin schuften, bis die Knochen ächzen, während sie fett und faul auf ihren Pfeffersäcken hocken und behaglich ihr Gold zählen.«
    »Für mich hat der Prediger längst seinen Biss verloren«, ließ eine schrille Frauenstimme sich vernehmen. »Und seine Engel gehören ohnehin zu den sieben Plagen, wie sie schon die Alte Schrift beschrieben hat. Wisst ihr, was sie anstellen, während wir in aller Unschuld unseren Palio feiern? Diese verdammten Frettchen steigen in unsere Häuser ein, durchwühlen sie vom Keller bis zum Speicher und

Weitere Kostenlose Bücher