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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dass es dir wieder gut geht!«, sagte Bartolo. »Wir bringen dich zu ihr und zu deiner großen Schwester, sobald du dich ein wenig erholt hast.« Seine Stimme wurde noch zärtlicher. »Was ist geschehen, Angelina? Wer hat dich fortgebracht? Magst du uns das erzählen?«
    »Leo«, sagte sie, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. »Er war mein Pferdchen, hat mich hoch oben getragen, damit ich alles sehen konnte. Aber ich hab doch meine Puppe verloren und wollte zurück. Ich hab so weinen müssen. Da ist er böse geworden und hat mich in einen Stall gesteckt.«
    »Sie meint den Gehilfen des Apothekers«, rief Lelio dazwischen. »Mamma Lina sagt immer, der ist nicht ganz richtig im Kopf. Wir spielen gern mit ihm, aber sie will es nicht.«
    »Lass jetzt erst einmal Angelina erzählen!«, sagte Bartolo. »Weiter, meine Kleine! Was war dann?«
    »Der Brei. Ich musste ihn trinken, um sauber zu werden, aber der hat so scheußlich geschmeckt, ganz salzig, und ich wollte nicht. Da hat Leo mich gehauen. Mir wurde schlecht, da hat er mich rausgebracht, hierher zum Brunnen …«
    Sie hielt inne, sah Bartolo aufmerksam an. »Wer bist du?«, fragte sie. »Auch ein böser Mann?«
    Bartolo schluckte, aber jetzt war endlich der Moment der Wahrheit gekommen. »Ich bin dein Vater«, sagte er. Die großen Kinderaugen waren fragend auf ihn gerichtet. »Und das dort drüben ist Mario.« Sein Kinn wies in die Richtung des Jungen. »Dein Vetter aus Deutschland. Er war es, der dich entdeckt hat, meine Kleine.«
    »Das stimmt nicht!«, entfuhr es dem Angesprochenen, und endlich, endlich war es heraus: »Ich hab dich zwar gefunden, Angelina, aber ich bin kein Mario, obwohl ich Männerkleider trage. Ich bin ein Mädchen und heiße Maria.«
    Bartolos Kinnlade fiel herunter. Tausend verschiedene Empfindungen durchzuckten ihn wie ein heftiges Gewitter. Schließlich veränderten sich seine Gesichtszüge, der Mund begann zu zittern, die Nasenflügel bebten, und er brach in lautes, befreiendes Gelächter aus.
    »Ein Mädchen!«, rief er. »Maria. Ich glaub es nicht! Deshalb deine Scham, dein seltsames Verhalten, als könne dir jemand etwas wegschauen. Da hast du uns ja alle zusammen ordentlich an der Nase herumgeführt!«
    »Ich musste«, rief sie. »Ich wollte nicht, aber ich konnte doch nicht anders, weil …«
    »Ich nehme an, du wirst deine Gründe gehabt haben, Maria«, fiel Bartolo ihr ins Wort. »Und die will ich auch ganz genau wissen, aber erst, sobald wir wieder zu Hause sind.«
    »Du bist mir nicht … böse, zio Bartolo?« Marias Stimme zitterte, aber die ungeheure Erleichterung war dennoch unüberhörbar. »Und schickst mich nicht gleich weg, jetzt, da du alles weißt?«
    »Wie könnte ich?« Bartolo zuckte mit den Schultern und strich dabei der Kleinen auf seinem Schoß über den zerzausten Blondschopf. Sein Blick fiel auf die besudelte Kleidung, und wieder lachte er. »Wo Töchter doch offenbar mein Schicksal sind!«

    ❦

    Sie ergriffen Leo noch in den späten Abendstunden, und er ließ sich ohne jegliche Gegenwehr festnehmen, als habe er bereits darauf gewartet. Ort der Verhaftung war ganz in der Nähe von Fontebranda einer der Eingänge zu dem Dutzende von Meilen langen Netz unterirdischer Gänge, das die Brunnen der Stadt mit Wasser von außerhalb versorgte. Den bewaffneten Männern, die der Rektor zur Suche ausgesandt hatte, nachdem Bartolo ihn über Angelinas Aussage in Kenntnis gesetzt hatte, kam zugute, dass Leo noch nicht über die steile Leiter hinuntergekrochen war, sonst hätten sie ihn vielleicht niemals gefunden.
    Man brachte ihn auf der Stelle nach Santa Maria della Scala, wo Barna ihn persönlich verhörte. Dazu hatte er eiligst den Palazzo Pubblico und seine Mitverschwörer verlassen müssen, die sich dort zu einer ersten Sitzung zusammengefunden hatten. Zur Unterstützung hatte er sich die Anwesenheit von Enea di Nero erbeten, der ihn begleitete.
    »Sollten wir nicht auch noch Savo mitnehmen?«, fragte der Richter. »Immerhin steht diese Kreatur in seinen Diensten.«
    »Genau aus diesem Grund möchte ich lieber auf Savo verzichten. Wir werden seinen Gehilfen zuerst allein befragen«, sagte Barna.
    Leo leugnete keinen Augenblick, beantwortete aber jede Frage auf seine Art. So dauerte es einige Zeit, bis die beiden erfuhren, was sie wissen wollten, aber Leo gestand ohne Einschränkung, als sei er sich gar nicht bewusst, was das für ihn zu bedeuten hatte.
    Ja, er habe sich zweimal nachts Zutritt zum Haus von Mamma

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