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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Halsbräune, ja, das meint jedenfalls madre Celestina.« Beinahe gemächlich ließ Gemma die schwerwiegenden Worte fallen. »Ein Ende der Seuche ist leider noch nicht abzusehen.«
    »Und da kommst du von ihnen direkt zu uns?« Lavinia wich zurück und riss dabei Lucia regelrecht vom Stuhl. »Zu mir! Auch du, Teresa, und zwar sofort!« Sie zwang die Mädchen hinter sich, baute sich schützend vor ihnen auf, als könne ihr Körper das Schlimmste abwehren. »Du wirst sie mir nicht mehr anrühren, verstanden? Meine Kinder rührst du mir nicht mehr an, nicht, solange diese fürchterliche Epidemie in Siena wütet!«
    »Ich hab mich gründlich gewaschen und ein frisches Kleid angezogen«, sagte Gemma, »falls dich das beruhigt. Hände, Hals …«
    »Nichts beruhigt mich, gar nichts! So viele Kleine hab ich daran regelrecht verenden sehen – und du hast nichts Besseres zu tun, als uns den Würgeengel der Kinder ins Haus zu tragen.«
    »Da musst du etwas falsch verstanden haben. Ich bin doch gar nicht krank …«
    »Wer redet denn von dir? Gemma hier, Gemma da, Gemma überall – ich kann es nicht mehr hören! Keinen einzigen Gedanken verschwendest du an uns, deine Familie. Dabei könntest du von Herzen dankbar sein, dass wir dich wieder aufgenommen haben!«
    Lavinas ganzer Stolz, ihr aschblondes Haar, hatte sich bei dem wilden Gestikulieren gelöst und fiel wie ein helles Gespinst über Brust und Rücken, sie aber schien es nicht zu merken.
    »Doch solche Überlegungen kommen dir ja niemals in den Sinn. Du bist eben keine Mutter, sondern nur ein missgünstiges, unfruchtbares Weib!« Sie schnaubte, aber sie war noch längst nicht fertig. »Ich kann verstehen, dass Lupo genug von dir hatte, auch wenn er viel zu anständig ist, um das nach außen zu zeigen. Wahrscheinlich ist er insgeheim längst wieder auf Brautschau – und du bist die Einzige weit und breit, die noch nichts davon ahnt.«
    Lavinias Spitzen saßen. Nur mit Mühe gelang es Gemma, die Beherrschung zu wahren.
    »Ich werde mich nicht mit dir streiten«, sagte sie. »Nicht hier. Und erst recht nicht heute.«
    »Ich streite nicht, du eingebildete Närrin, was redest du da für Unsinn! Ich verfluche dich! Für mich bist du der Todesengel, der die Saat des Verderbens in sich trägt. Hinaus aus diesem Zimmer! Ich dulde dich nicht länger an meinem Tisch, in meinem Haus. Verschwinde, Gemma!« Jetzt schrie sie, so aufgelöst vor Angst war sie. »Mir aus den Augen – und zwar gleich!«
    Für einen Augenblick schien der Boden auf Gemma zuzukommen, und die hellen Wände schienen zu wanken. Sie schloss die Augen in jäh aufkeimender Furcht, öffnete sie nach einer Weile nur unter großer Anstrengung. Es war vorbei und alles wie immer. Der Boden unter ihren Füßen, die Wände dort, wo sie hingehörten.
    Langsam ging sie zur Türe, danach die steile Treppe nach oben. Ihre Hände waren überraschend ruhig, als sie ein paar Kleinigkeiten zusammentrug: ihren alten Rosenkranz, Wäsche zum Wechseln, zwei schlichte Kleider, ein paar bequeme Schuhe, ein warmes Umschlagtuch, in das sich alles packen ließ. Schließlich schnürte sie das Bündel noch einmal auf und legte das rot-blaue Festkleid und Francescas Perlen dazu.
    Beim Hinuntergehen waren ihre Beine wie Blei. Alle Türen blieben geschlossen; kein Laut drang zu ihr heraus, als ob Lavinia und die Mädchen dahinter den Atem anhielten.
    Ob sie den Vater suchen und ihm alles erzählen sollte? Gemma verwarf den Gedanken wieder. Besser, die Lage beruhigte sich, bevor sie mit ihm sprach. Bartolo würde gewiss versuchen, sie zum Bleiben zu überreden, was Lavinia nur noch mehr in Rage gebracht hätte. Ihn jetzt auf ihre Seite ziehen zu wollen hieße lediglich, neues Öl ins Feuer zu gießen.
    Zum Glück saßen die meisten Nachbarn offenbar bei der Abendmahlzeit, aber es gab doch einige, denen sie unterwegs begegnete, und die starrten sie mit unverhohlener Neugierde an.
    Die Sünderin von Siena, dachte Gemma mit grimmiger Genugtuung, genau das werden sie jetzt denken! Erst ist sie ihrem Mann davongelaufen, dann verweist die Stiefmutter sie des Hauses, und nun muss sie wie eine Bettlerin ihre wenigen Habseligkeiten auf dem Rücken tragen.
    Als das Haus mit den blauen Fensterläden in Sicht kam, beschleunigte sie ihre Schritte. Und obwohl Gemma sich fest vorgenommen hatte, es nicht zu tun, glitt ihr Blick dennoch als Erstes zur gegenüberliegenden Straßenseite.
    Dünner Rauch kam aus dem Kamin. Er war also zu Hause, eine Vorstellung,

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