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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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anschließend genoss, sich von Kopf bis Fuß mit warmem Wasser zu waschen, das ihr die Magd in einer Wanne gebracht hatte. Vielleicht brauchte sie sich ja wegen des Jungen, der ihnen da unvermutet ins Haus geschneit war, gar keine so großen Sorgen zu machen. Vielleicht genoss Mario lediglich die Aufmerksamkeit des Großonkels und dachte nicht daran, ihr die Gefühle des Vaters abspenstig zu machen. Besser, sie sorgte sich um sich selber!
    Ihre Hände zögerten, als sie beim Abtrocknen über die Brüste fuhren, die ihr schlaffer und freudloser vorkamen als noch vor wenigen Monaten. Auch der sonst stets leicht gewölbte Bauch erschien ihr eingefallen. Der Körper einer ungeliebten Frau, dachte Gemma. Wenn es so weitergeht, werde ich noch bei lebendigem Leibe vertrocknen. Vielleicht wird mich nach Lupo kein Mann jemals wieder zärtlich berühren.
    Sie verscheuchte die hässlichen Gedanken, doch sie kehrten zurück wie eine Schar aufsässiger Stare. Sie fühlte sich besser, als sie sich angezogen hatte: ein frisches Leinenhemd, dann ein blaues Untergewand, über das sie eine leichte cotta aus hellem Damast streifte. Das Haar bürstete sie ausgiebig, dann schlang sie es nach oben und steckte es mit den schönen Kämmen aus Elfenbein fest, die sie als Kind stets an ihrer Mutter bewundert hatte.
    Wie sehr sie Francesca gerade heute wieder vermisste! Gemmas Wehmut wuchs, als Lavinia sie gleich beim Eintreten scheel musterte.
    »Oh, die principessa erweist uns heute ausnahmsweise die Ehre!«, sagte sie spöttisch. Dabei hätte ihr Ge wand aus blauvioletter Seide und einem fliederfarbenen Überwurf, geschmückt mit breiten Brokatborten um Ausschnitt, Handgelenke und Saum, eher für festliche Gesellschaften getaugt als für einen warmen Frühlingsabend zu Hause. Freilich hatten es Schweißränder unter den zu knapp gewordenen Armausschnitten verdorben, und auch Lavinas blasses längliches Gesicht war von feinen Schweißperlen bedeckt. »Hat Eure Hoheit etwa die edle Nase bereits voll von Armensuppe und verwanzten Bälgern?«
    Gemma setzte ein unbestimmtes Lächeln auf und schwieg.
    An ihrer Stelle öffnete Teresa den Mund, als wolle sie etwas sagen, schloss ihn aber wieder. Dafür war ihr Gesichtsausdruck umso sprechender. Trauer lag darin, Neid, Gekränktsein. Es passte ihr offenbar ganz und gar nicht, dass die große Schwester auf einmal wieder da war und sie in allem auf den zweiten Rang verwies. Was hätte sie nicht darum gegeben, auch so wie Gemma auszusehen, anstatt sich mit fettigem Haar, Pickeln und widerspenstigen Brüsten abzuplagen, die einfach nicht wachsen wollten, obwohl sie doch schon fast vierzehn war.
    »Du bist wunderschön«, flüsterte dagegen Lucia, und Gemma legte ihr im Vorübergehen für einen Augenblick die Hand auf den warmen Kopf. »Wie eine richtige Prinzessin. Hör einfach nicht hin! Ich glaube, sie sind alle nur ein bisschen neidisch auf dich.« Die Kleine grinste verstohlen, dann starrte sie mit ernstem Gesicht auf ihren leeren Teller.
    »Wo ist Vater?«, fragte Gemma, um gute Stimmung bemüht. »Noch immer drüben im Kontor?«
    »Woher soll ich das wissen?«, schnappte Lavinia zu rück. »Seit dieser verdammte kleine tedesco seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, erfahre ich noch weniger als früher. Man könnte meinen, er habe ihm den Kopf verdreht wie eine fesche Braut, so verliebt führt dein Vater sich plötzlich auf. – Kannst du nicht besser aufpassen, du blindes Huhn?«, fuhr sie die Magd an. »Wirft hier mit meinem teuren Fleisch um sich, als wären es schmutzige Lappen!«
    Die junge Frau hatte eine Platte mit kaltem Braten beim Hereintragen so ungeschickt gehalten, dass ein Teil davon auf dem Boden gelandet war. Teresa und Lucia machten sich einen Spaß daraus, niederzuknien, die Scheiben aufzusammeln und sie sich auf der Stelle in den Mund zu stopfen, während Lavinia weiterzeterte. Als auch noch Nonna Vanozza an ihrem Elfenbeinstock hereingehumpelt kam und in das Lamento einfiel, hatte Gemma genug.
    »Das Hospital ist randvoll mit Kindern«, sagte sie, um einiges lauter und gereizter als gewöhnlich. »Sie röcheln, können kaum schlucken – viele von ihnen sind sterbenskrank. Schämst du dich da nicht herumzukeifen, nur weil ein bisschen Braten auf dem Boden gelandet ist?«
    Lavinia fuhr zu ihr herum. Jetzt waren die Augen übergroß in ihrem blassen Gesicht. »Sie röcheln, hast du gesagt? Können kaum noch schlucken? Aber es ist doch nicht etwa …«
    »… die

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