Die Sünderin von Siena
seine Backen dramatisch auf, schluckte aber den Brei.
»Was ist denn hier los?« Mamma Lina, die schon seit dem Morgen über Kopfschmerzen geklagt hatte, stand auf einmal im Raum. »Wer von euch ist für diese Sauerei zuständig?«
»Sie haben doch nur gespielt«, versuchte Gemma zu schlichten. »Und Leo musste …«
»Was hast du überhaupt hier zu suchen?«, fuhr Lina den Gehilfen an. »Hat er dich geschickt, der Apotheker?«
»Messer Marconi war so freundlich, uns neue Medizin bringen zu lassen, auf Vorrat gewissermaßen«, versuchte Gemma zu erklären. »Stell dir vor, wir müssen nicht einmal etwas dafür bezahlen!«
»Wir brauchen keine Almosen«, sagte Lina scharf. »Und ich möchte, dass du jetzt gehst.« Das war an Leo gerichtet. »Die Medizin kannst du gleich wieder mitnehmen.« Mit Nachdruck stellte sie das Gefäß vor ihn auf den Tisch.
»Sie meint es nicht so«, meinte Gemma versöhnlich, als sie Leo zur Türe brachte. Was hatte die Freundin nur auf einmal gegen den gutmütigen Riesen, der den Kleinen so viel Freude machte? »Lina hat böse Kopfschmerzen, da sagt man manchmal seltsame Sachen.« Behutsam nahm sie ihm das Gefäß aus den Händen. »Die Medizin kannst du ruhig hier lassen. Für alle Fälle.«
Er schaute sie an, mit Augen so blank, so leer. Verstand er überhaupt, was sie gesagt hatte?
»Ich gehe jetzt«, sagte er schließlich. »Der padrone wartet.«
»Dann richte ihm doch bitte meine besten Empfehlungen aus«, sagte Gemma, plötzlich erleichtert, ihn loszuwerden. »Bei nächster Gelegenheit werde ich mich persönlich bei Messer Marconi bedanken.«
❦
Gemma hatte das Haar gelöst, wie Matteo es erbeten hatte, und den dichten blauen Schleier darüber gelegt. Und sie saß auf dem Boden, wie er ebenfalls gewünscht hatte, eine Haltung, die ihr inzwischen allerdings reichlich unbequem geworden war.
»Meine Beine sind eingeschlafen«, sagte sie. »Und im Rücken brennt und sticht es scheußlich.«
Er lächelte kurz, ohne sich beim Zeichnen unterbrechen zu lassen.
»Ich hab niemals behauptet, dass Modellsitzen einfach ist«, sagte er. »Nur noch eine ganz kleine Weile, ja? Und weiter ganz still halten – bitte!«
Gemma gehorchte, ließ allerdings den Blick weiter im Raum umherschweifen. Mittlerweile war es draußen dunkel geworden. Im Zimmer verbreiteten zahlreiche Kerzen und Wachsstöcke ihr flackerndes Licht.
»Siehst du denn überhaupt noch etwas?«, wollte sie wissen. »Du wirst noch zum Maulwurf, wenn du deine Augen weiterhin so malträtierst.«
Mittlerweile könnte ich dich in so gut wie jeder Lebenslage blind porträtieren, hätte er am liebsten geant wortet. Dein Bild ist längst in meinem Herzen. Für alle Zeiten.
»Es geht«, sagte er stattdessen laut. »Noch geht es.«
»Und durstig bin ich auch«, sagte Gemma. »Bringst du mir etwas zu trinken?«
Jetzt stand Matteo auf, kam mit einem Weinkrug und zwei Bechern zurück.
»Wenn ich dir nah bin, fühle ich mich sofort wieder völlig hergestellt«, sagte er, nachdem sie getrunken hatten. »Nicht einmal die Quetschungen spüre ich dann noch.«
»Ist Lupo eigentlich noch einmal aufgetaucht?«, fragte Gemma. »Zuerst wollte ich ihn ja darauf ansprechen, aber dann schien es mir besser, lieber nichts zu sagen. Dieser Überfall lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber in Zukunft hoffe ich, lässt er dich in Ruhe. Ein für alle Mal!«
»Das wird er gewiss nicht«, sagte Matteo. »Nicht, wenn er auch nur ahnt, was ich für dich empfinde.«
»Matteo, wir hatten doch …«
Er umarmte sie rasch.
»Nichts hatten wir«, flüsterte er an ihrem Ohr. »Das ist ja gerade das Schlimme daran.«
»Lupo ist nicht mehr mein Mann«, sagte sie leise. »Nicht mehr in meinem Herzen. Auch wenn Altar und Gesetz mich weiterhin an ihn fesseln. Für mich hat er dieses Recht für immer verwirkt. Das wollte ich dir sagen.«
»Was hat er dir angetan?«, fragte Matteo. »Willst du darüber reden?«
»Nein – niemals!«
Gemma stieß ihn weg und bereute im gleichen Augenblick, dass sie es getan hatte. Matteo ließ sich nicht beein drucken, kam wieder langsam auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus.
Gemma schluckte, ihr Hals war wie zugeschnürt. Jetzt, da es beinahe so weit war, bekam sie Angst.
»Ich will mich nicht verlieben«, entfuhr es ihr. »Nicht einmal in dich. Das bringt doch nichts als Not und Schmerzen.«
»Ist es für diese Einsicht nicht ein bisschen spät?« Seine Stimme war weich, ein zärtlicher Hauch von
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