Die Sünderin von Siena
Spott schwang darin.
Er hat ja recht, dachte sie. Es ist längst schon geschehen!
»Was sollen wir nun anfangen?« Sie klang verzagt wie ein Kind in der Dunkelheit.
»Das will ich dir gerne zeigen.« Er lächelte. »Du hast doch Vertrauen zu mir, Gemma?«
Sie nickte beklommen.
»Dann kannst auch du den Anfang machen«, sagte er. »Vielleicht ist das sogar leichter für dich. Und ich, ich werde dir folgen, mit allergrößter Freude.«
Als Gemma Matteos Hand nahm und ihn an sich zog, die Arme ganz fest um ihn schlang und ihr Gesicht an seinem Hals vergrub, konnte sie plötzlich wieder freier atmen. Sie spürte seine wachsende Erregung – und sie spürte gleichzeitig ihr eigenes Begehren, was sie glücklich und unsicher zugleich machte. Eine Welle von Scham drohte sie zu überfluten. Durfte sie überhaupt so empfinden, sich so weich, so offen, so zur Liebe bereit fühlen?
Lupos Kälte hatte alles in ihr erfrieren lassen.
Matteo tat genau das Richtige, ließ ihr Zeit, ohne sein Verlangen zu verbergen. Sie küssten sich lange und innig, und Gemma spürte, wie die Scham langsam verschwand und ihr Körper mehr und mehr auf seine Liebkosungen zu reagieren begann. Seine Hände waren sicher und fest, berührten sie an Stellen, wo sie viel zu lange niemand mehr zärtlich berührt hatte. Es war wie ein Erwachen aus tiefem Schlaf, wie ein Sonnenkuss nach einem langen, eisigen Winter. Sie hätte weinen mögen und lachen in einem, vor alles aber schob sich dieses tiefe, erfüllte Staunen.
Sie war lebendig, sie liebte und wurde geliebt! Alles schien so richtig, so vollkommen, genau so, wie es sich gerade abspielte.
Schließlich sanken sie auf das Bett, einander noch immer so fest umklammernd, als würden sie sich nie mehr loslassen wollen. Die Luft im Zimmer war schwer, nicht vom leisesten Windhauch bewegt. Es schien wie selbstverständlich, dass ihre Körper einen langsamen genussvollen Tanz aufnahmen, bald schon nass vor Schweiß. Einfacher wurde es, als sie die Kleider endlich losgeworden waren und ihre Körper ineinanderflossen.
Gemma war froh, dass Matteo nichts sagte, nur ihren Namen flüsterte er wie eine Anrufung immer wieder in ihr Ohr. Es gab nichts anderes zu sagen, nichts, was hätte gesagt werden müssen, keine Worte mehr, nur noch Fühlen, Spüren und eben dieses glückliche, tief erfüllte Staunen.
Plötzlich stieß Matteo unerwartet einen rauen Ton aus, der sie durchfuhr, ein dunkler, schmerzlicher Laut, der von weit unten zu kommen schien, und für einen Augenblick war es, als würde ein schwerer Vorhang sich öffnen. Die Schreckensbilder ihrer Hochzeitsnacht waren mit einem Mal zurück: Lupos starres Gesicht, sein stoßweises Ächzen, vor allem jedoch die kalten Worte, unablässig wiederholt, während er roh in sie stieß: »Beweg dich nicht, beweg dich nicht, du verdammte kleine Hure …«
Dann aber spürte sie wieder Matteos warme Lippen auf ihrem Mund, und der Vorhang schloss sich gnädig wieder. Matteo sah sie fragend an, sie aber schüttelte nur kurz den Kopf und überließ sich aufs Neue seinen wissenden Berührungen.
»Ich hatte keine Ahnung, dass die Liebe so schön sein kann«, flüsterte Gemma, als sie später erschöpft nebeneinanderlagen. Jubeln hätte sie mögen, so glücklich fühlte sie sich. Ihre Augen konnten sich nicht an ihm sattsehen, die Finger mussten ihnen kaum weniger unersättlich folgen. Da waren die Narbe rechts unter seinem Kinn, der ausdrucksvolle Mund, die kleinen Falten um die Augen und die beiden steilen zwischen den Brauen, die ihn so ernst und traurig aussehen lassen konnten. Doch jetzt schienen sogar sie zu lächeln. Da waren seine starken, geschmeidigen Hände, der zart behaarte Brustkorb, die schlanken Hüften, die sehnigen Schenkel und sein bräunliches Geschlecht, das ihr so große Lust bereitet hatte.
»Sie könnte noch schöner werden, das liegt allein an dir, meine wunderbare Prinzessin der Nacht!« Matteo zog sie erneut voller Leidenschaft an sich. »Für mich müsste es niemals mehr Morgen werden.«
❦
Irgendwann waren sie dennoch eingeschlafen, und als Matteo erwachte, lauschte er gelöst eine Weile dem fröhlichen Lied der Vögel. Gemma schlief noch fest, die Hände zu Fäusten geballt, die Knie angezogen, als müsse sie sich im Traum verteidigen.
Er stand auf, betrachtete sie lächelnd. Bald schon würde er sie wecken müssen, damit sie rechtzeitig nach gegenüber schleichen konnte, bevor Lina und die Kinder es merkten, doch er wollte ihr die
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