Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
gekommen, dass das fluoreszierende Leuchten der Seerosenblätter vielleicht eine magikalische Ursache haben könnte? Eine, die aus alter Zeit stammt, womöglich aus der Zeit vor den Feenkriegen, als das Feenmaul noch blau geleuchtet hat?“
„Nein“, sagte Scarlett. „Bin ich nicht.“
Er schüttelte den Kopf.
„Typisch. Für dich zählt immer nur das Hier und Jetzt. Aber das mag ich ja auch an dir. Es macht dich so lebendig!“
Bevor Scarlett verlegen werden konnte, wie so oft in letzter Zeit, wenn Hanns meinte, er müsste seine Zuneigung zum Ausdruck bringen, marschierte er schon weiter in den hinteren Teil des Gartens. Er wusste genau, wo im Sommer die Erdbeeren wuchsen, die man bevorzugt für Liebestränke benutzte, und wo der Phönixbaum stand, der sich in jedem Herbst selbst verbrannte und im Frühling wieder ausschlug. Er suchte in den verkohlten Überresten nach dem ersten Sprössling, fand aber keinen. Dafür machte er sich die Finger ganz schwarz und als er sich das nächste Mal nachdenklich am Kinn kratzte, sah es aus, als hätte er da einen Bart. Scarlett wollte ihn darauf aufmerksam machen, kam aber nicht dazu, denn Hanns schaute in die Ferne und erklärte fast triumphierend:
„Ah, sieh mal einer an!“
Scarlett folgte seinem Blick und dann sah sie es auch. Da stand jemand am äußersten Rand des Gartens, dort wo der Zaun war, der den Garten von der Wildnis und dem bösen Wald trennte. Der Jemand starrte in die Höhe, in einen Baum hinauf, und dieser Jemand sah sehr nach Gerald aus.
„Interessant“, sagte Hanns und es klang irgendwie ungut, wie er das sagte.
„Was ist interessant?“, fragte Scarlett.
„Dass Gerald Winter mit einer Giftnasenfledermaus redet.“
„Tut er das?“
Scarlett versuchte, es genauer zu erkennen. Es sah wirklich so aus, als ob da was im Baum hing, aber ob es eine Fledermaus war …
„Sie hat eine rote Nase, eine giftige Nase, wie der Name schon sagt“, erklärte Hanns. „Giftnasenfledermäuse sind sehr intelligent und wie viele vernunftbegabte Fledermausarten besonders beliebt, wenn es darum geht, geheime Nachrichten auszutauschen oder jemanden auszuschnüffeln. Denn sie können auch im Dunkeln spionieren, verirren sich nie und sind in der Lage, sich durch eine Vielzahl von Lauten deutlich auszudrücken.“
„Du meinst, Gerald gibt gerade geheime Nachrichten weiter?“, fragte Scarlett und spürte, wie ihr das Herz schwer wurde. Als hätte es sich kurzzeitig in einen Stein verwandelt.
„Ja, und zwar an die Regierung. Die Regierung hat ein eigenes Giftnasenfledermaus-Programm.“
„Woher willst du das wissen?“
„So was steht in der Zeitung, du Ahnungslose“, sagte Hanns und lachte sie aus. „Das ist kein Geheimnis. Schließlich geben sie unsere Steuern dafür aus.“
Scarlett kam sich gerade sehr dumm vor. In jeder Hinsicht. Gerald beendete unterdessen seine Unterhaltung. Das schwarze Ding, das zwischen den Ästen gehangen hatte, flatterte fort, und Gerald schlenderte mit den Händen in den Taschen durch das Tal der beseelten Bäume (das im Moment eher aussah wie das Tal der toten Bäume, denn die Baumgerippe waren kahl und was davon beseelt war, lag immer noch im Winterschlaf). Auch Geralds Hose war nass bis über die Knie, Scarlett sah es, als er näherkam. Aber was juckte es Gerald? Es war bekannt, dass Herr Winter einen eigenen Dienstboten mitgebracht hatte, der für Vater und Sohn die Wäsche wusch und bügelte. Auch besaß Gerald im Gegensatz zu den meisten Schülern mehr als zwei Hosen, konnte also wechseln, sooft er wollte.
Nun hatte Gerald sie auch entdeckt. Er sah nicht ertappt oder in irgendeiner Weise beunruhigt aus, er lachte nur in der leicht spöttischen Weise, mit der er Scarlett aufzuziehen pflegte, sobald sie über ihren ungewöhnlichen Kindheitsfreund sprach. Kaum war er in Hörweite, rief er:
„Hallo Scarlett, hallo Hanns!“, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen.
„Hallo Ge-gerald“, erwiderte Hanns.
Scarlett grüßte nicht. Sie warf Gerald nur einen kritischen Blick zu, den er wie üblich nicht ernst nahm.
„Falls ihr euch den Anblick ersparen wollt“, sagte er noch, als er schon fast an ihnen vorübergegangen war, „dahinten liegt ein toter, halb aufgefressener Fuchs. Der arme Kerl muss einem Faulhund in die Quere gekommen sein.“
Gerald ging weiter, zurück zur Festung, doch Hanns blieb stehen und schaute in die Richtung, in die Gerald gezeigt hatte. Ihn schien der Gedanke an einen halb aufgefressenen
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