Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
sagt er.“
„Pssst“, flüsterte Maria. „Rosa Strickjacke!“
Alle schwiegen wie auf Kommando und hörten es dann auch: Auf dem Gang näherten sich Schritte. Es waren auch Stimmen zu hören. Hielt Berry Selbstgespräche? Als die Tür dann schließlich aufging, staunten sie um die Wette: Da war Berry, aber sie hatte ein merkwürdiges Geschöpf bei sich, das ihr fast bis zur Hüfte reichte. Es war klatschnass, sein sonst so flauschiges, weißes Fell war braun vor Dreck und hing in verfilzten, putzlappenartigen Büscheln an ihm hinab. Bevor Maria die Hände über dem Kopf zusammenschlagen konnte und ihre Besorgnis über den jämmerlichen Zustand ihres ehemaligen Stoffhasen zum Ausdruck bringen konnte, kam Rackiné ins Zimmer geschwankt und ließ sich nass und dreckig, wie er war, auf Marias Bett fallen. Sie konnte gerade noch zur Seite springen, sonst hätte er sich auf sie plumpsen lassen.
„Aaaah!“, rief er. „Es geht doch nichts über ein sauberes, weiches Bett!“
Kaum hatte er’s gesagt, schloss er die Augen und schlief ein.
Sein rasselndes Schnarchen war schlimmer als jeder nächtliche Aufschrei des Strohpüppchens Kunibert. Als die Mädchen vom Abendessen zurückkamen und der Hase immer noch schnarchte, sahen sie sich gezwungen, ihn an Armen und Beinen zu packen (er war viel schwerer geworden in den wenigen Wochen) und in den Gang hinauszutragen. Dort legten sie ihn auf eine Decke und deckten ihn mit einer zweiten zu. Rackiné wachte nicht auf, während sie ihn trugen, er warf sich nur einmal hin und her, grunzte dabei leise, und schlummerte dann wieder ein, vor sich hin rasselnd und in einen Traum versunken, der sein Hasennäschen schnuppern und zittern ließ. Einmal öffnete er den Mund und schmatzte vor sich hin. Mit gemischten Gefühlen streichelte ihm Maria zur Gute Nacht über den schmutzigen Kopf und ging dann selbst schlafen.
Kapitel 10: Die Geschichte von Viego und Geraldine
Es kam so, wie es Krotan Westbarsch hatte ausrechnen lassen: Das Wasser stieg in der Nacht über den Rand der Kanäle und überschwemmte die Unterrichtsräume. Im Hungersaal wurden provisorische Schulräume eingerichtet, damit die höheren Klassen, die sich auf landesweite Prüfungen vorbereiten mussten, trotzdem unterrichtet werden konnten. Die ersten drei Jahrgänge waren vom Unterricht befreit, hatten aber einen Extraberg Hausaufgaben bekommen, den sie während der Überschwemmung abzuarbeiten hatten.
„Die Bibliothek ist ja zum Glück trocken“, hatte Estephaga Glazard erklärt und ihr Tonfall war genauso trocken wie die Bibliothek. „Also setzt euch auf den Hosenboden! Wer faulenzt, bekommt einen Vermerk.“
Man brauchte 13 Vermerke in einem Halbjahr, um von der Schule zu fliegen. Es war abzusehen, dass die meisten Schüler es darauf würden ankommen lassen. Wenn die Vermerke überhaupt zu etwas gut waren, dann dazu, die Schüler das Rechnen zu lehren: Wie viele Vermerke kann ich mir bis zu den Ferien noch leisten?
Während Estephagas Ankündigung und dem anschließenden Frühstück saß Scarlett wie auf Kohlen. Sie musste unbedingt mit Gerald sprechen. Lisandras Enthüllungen hatten ihr den Schlaf geraubt (von dem schnarchenden Stoffhasen ganz zu schweigen), sie war müde und schrecklich aufgeregt zugleich. Wenn sie Gerald nach dem Frühstück nicht zu fassen bekam und er nicht auf der Stelle bereit war, ihr die ganze Wahrheit zu sagen, würde sie so einen Wutanfall bekommen, dass von einem kontrollierten Abbau ihrer bösen Kräfte nicht mehr die Rede sein konnte. Wahrscheinlich würde der Hungersaal einstürzen und alle Schüler unter sich begraben.
„Ich weiß gar nicht, was mit ihm los ist!“, jammerte Maria. „Er benimmt sich so … so rüpelhaft!“
Thuna zog die Augenbrauen hoch.
„Das ist ganz schön vornehm ausgedrückt für einen Hasen, der in die Ecke spuckt, einen schlechten Mundgeruch hat, sich genüsslich zwischen den Beinen kratzt und sofort zu motzen anfängt, wenn du sagst, dass du ihn nicht mit aufs Klo nehmen kannst.“
„Seine gute Kinderstube hat gelitten“, stellte Lisandra fest. „Vielleicht solltest du mal ein Wörtchen mit seinem Freund, dem Unhold, reden.“
„Der Unhold war immer schüchtern und zurückhaltend“, sagte Maria. „Von dem hat man nie was mitbekommen. Der kann sich doch nicht so geändert haben?“
Berry konnte nicht schweigend zuhören. Sie hatte den Hasen gestern in der Festung dabei entdeckt, wie er den Inhalt einer Kleidertruhe auseinandernahm
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