Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
und verschiedene Kleidungsstücke anprobiert hatte. Röcke und Schürzen wohlgemerkt! Sie war so empört gewesen, dass sie den Hasen an einem seiner Ohren gepackt und ihm eine Standpauke gehalten hatte. Nämlich dass Maria vor Sorge verging, während er hier in der Festung Blödsinn anstellte.
‚Mit dir rede ich doch gar nicht!’, hatte der Hase patzig erklärt.
‚Gut, dann rede mit Maria’, hatte sie erwidert und ihn mit sich geschleift, bis er bereit war, alleine mitzugehen, wenn sie nur endlich sein Ohr losließ.
„Dieser Hase benimmt sich wie mein Cousin“, sagte Berry nun beim Frühstück im Hungersaal. „Wenn mein Cousin mal wieder den größten Mist gebaut hat, sagt meine Tante: Er ist eben in der Pubertät.“
Lisandra pfiff durch die Zähne.
„Ja, klar, das ist es!“, rief sie. „Der Hase wird erwachsen! Er will dir zeigen, dass er nun groß ist und nicht mehr dein kleiner, süßer Knutschi-Putschi-Hase.“
„Das war er sowieso nie!“, rief Maria. „Ich habe ihn immer wie einen Freund behandelt! Wie einen Hasen mit Hirn! Aber das Hirn hat er ja wohl im Wald vergessen. Vielleicht schrumpft es, wenn ich ihm längere Zeit kein Leben einspreche.“
Maria stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte traurig ihren Kopf in die Hände.
„Ich hab einfach kein Glück mit meinen Geschöpfen. Entweder hauen sie ab, so wie der Ritter und Rackiné, oder sie sind totale Nervensägen.“
„Oder beides“, sagte Lisandra.
„Warum soll es dir besser gehen als dem großen Otemplos?“, fragte Thuna. „Der göttliche Titan des paradiesischen Anbeginns hat sich die Menschheit auch viel besser vorgestellt, als sie am Ende geworden ist.“
Lisandra lachte.
„Also, wenn der große Otemplos so ein wirrer Kopf war wie Maria, dann wundert mich gar nichts mehr! Aber sei nicht unglücklich, Hasen-Mama, wir helfen dir, deinen rülpsenden Rüpel wieder zurechtzubiegen!“
Scarlett konnte sich an der Unterhaltung nicht beteiligen. Sie war kurz vorm Überkochen und brauchte all ihre Kräfte, um den Deckel fest auf den Topf zu drücken. Doch irgendwann schaffte sie es nicht mehr. Sie ließ das angebissene Brot fallen, das sie in der Hand gehalten hatte, und stand auf. Obwohl es jeder sehen konnte, ging sie quer durch den Hungersaal zum Lehrertisch. Gerald, der normalerweise durch heitere Gelassenheit glänzte, sah sehr alarmiert aus, als sie so plötzlich vor ihm stand.
„Ich muss mit dir reden!“, sagte sie.
Sie bemühte sich, ihre Stimme zu senken, doch am Lehrertisch konnte es wahrscheinlich jeder hören. Gerald ließ den Blick über den Hungersaal schweifen und begegnete vielen Augenpaaren, die auf ihn gerichtet waren. Die von Hanns waren auch dabei.
„Jetzt gleich?“
„Ja“, sagte sie. „Wir treffen uns im Flur.“
Sie drehte sich um und verließ den Hungersaal in der Hoffnung, dass sie bei der Gelegenheit nicht die Brühe vertrocknen und das Brot verschimmeln ließ. Sie war zwar aufgeregt, aber das hieß ja nicht, dass sie den anderen das Frühstück verderben wollte. Schnell ging sie aus der Tür, die sie hinter sich zuknallen ließ, und wartete im sonnigen Flur voller Pfützen darauf, dass Gerald ebenfalls auftauchte. Als er es tat, sah er angefressen aus.
„Du spinnst!“, stellte er fest, kaum dass die Tür hinter ihm zugefallen war. „Weißt du, was jetzt alle reden?“
„Ist mir egal. Du sagst mir jetzt sofort, wer du bist, wo du herkommst und was du vorhast!“
„Ah“, sagte er und der genervte Gesichtsausdruck wich langsam einer Mischung aus Besorgnis und Ratlosigkeit. „Ich verstehe.“
Er überlegte kurz.
„Gehen wir in die Wohnung meines Vaters. Er muss nach dem Frühstück unterrichten, wir haben also unsere Ruhe da.“
„Dein Vater? Dein Vater unterrichtet gleich?“
„Tu mir einen Gefallen“, sagte Gerald, „und halt die Klappe, bis wir ungestört sind. In Ordnung?“
Scarlett ging einfach los, dahin, wo bekanntlich Herr Winter seine Wohnung hatte: im Dachgeschoss über der Bibliothek, mit Blick auf den Garten. Anfangs hatte auch Gerald dort gewohnt, das hatte man ihr erzählt. Aber es kommt nicht gut an bei den Mitschülern, wenn es einer so schön hat, während die anderen mit dem ärmlichen Sumpfloch-Standard auskommen müssen. Also war Gerald während seines ersten Schuljahrs in ein normales Gemeinschaftszimmer umgezogen. Seinen Platz am Lehrertisch hatte er aber behalten, weil das Essen da besser schmeckte und man einen Nachschlag verlangen konnte. Auf
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