Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Frau, die er liebte, ermordet. Das hat er nicht verkraftet. Er stürzte ab und geriet in einen Zustand dunkelster Umnachtung. Was er in dieser Zeit angerichtet hat, weiß er nicht mehr. Er war wie von Sinnen. Mein Vater hatte alle Mühe, ihn zu finden und zu retten. Die Professur wurde ihm aberkannt, aber er hätte diese Posten sowieso nie angetreten. Es hätte ihn zu sehr an sein verlorenes Glück erinnert. An Geraldine.“
„Sie war es? Die Schwester deines Vaters?“
„Ja, meine Tante.“
„Er hat sie geliebt?“
„Mehr als alles andere und sie waren sehr glücklich zusammen. Aber es gab Mächte, denen dieses Glück nichts wert war. Sie wurde entführt, ohne dass es jemand merkte, weil sie gerade auf einer weiten Reise war. Als sie zurückkommen sollte, wartete Viego vergeblich auf sie. Weder sie noch eine Nachricht von ihr erreichten ihn. Dann, am Abend vor Viegos Ernennung, hielt eine lange Kutsche vorm Haus. Man holte eine Bahre heraus, auf der lag Geraldine. Sie konnte nicht laufen, sie konnte auch nicht sprechen, sie lag nur da. Sie sah aus wie immer, sagt mein Vater, und doch ganz anders. Denn alles, was die Seele einem Gesicht an Ausdruck verleiht, sagt er, war verschwunden. Sie war leer, obwohl sie noch lebte. Man habe sie so gefunden, hieß es. Doch Viego und mein Vater denken etwas anderes. Sie glauben, dass Experimente mit ihr gemacht wurden und dass ihr dabei alles gestohlen wurde, was ihr Leben ausgemacht hat. Die Regierung macht so etwas, wenn sie es für notwendig hält, davon sind Viego und mein Vater überzeugt. Die Ermittlungen gegen die Entführer verliefen unbefriedigend. Es schien, als seien die Beamten, die dafür zuständig waren, nicht an der Aufklärung des Falls interessiert. Sie waren sogar so dreist, Viego zu verdächtigen, seiner Zukünftigen etwas angetan zu haben. Geraldine starb noch in der gleichen Nacht, ohne meinen Vater oder Viego wiederzuerkennen. Sie konnten sich nie von ihr verabschieden und wissen bis heute nicht, was mit ihr passiert ist.“
„Das ist furchtbar!“, sagte Scarlett.
„Man kann es sich kaum vorstellen“, meinte Gerald. „Viego stürzte danach ab, wie gesagt. Aber mein Vater kämpfte um ihn und um Gerechtigkeit. Alles, was er heute tut, tut er deswegen. Er hat eine Organisation aufgebaut, über die ich dir nichts sagen darf. Offiziell ist er ein reicher Ritter mit vielen Verbindungen, auch zur Regierung. Aber er ist noch viel mehr als das und Viego ist sein Mitstreiter. Beide wollen Gerechtigkeit. Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass sie etwas ganz Unterschiedliches darunter verstehen. Mein Vater will, dass sich die Umstände ändern. Er will das eigentliche Übel ausrotten, das zu Geraldines Ermordung geführt hat Dazu muss er herausfinden, was Geraldine zugestoßen ist und wie alles miteinander zusammenhängt. Die Übermacht von Amuylett in dieser Welt spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber Viego geht es mehr um Rache, glaube ich. Er lebt, um Geraldine zu rächen. Ich frage mich manchmal, was aus ihm wird, wenn er wirklich die Gelegenheit dazu bekommt. Ich habe Angst um ihn, wenn ich nur daran denke.“
Scarlett fehlten die Worte. Gerade merkte sie, wie viel ihr der gruselige Halbvampir bedeutete. Er war ihr immer so selbstsicher und gefestigt vorgekommen. Doch was Gerald erzählte, klang ganz anders.
„Jetzt weißt du auch, warum ich Gerald heiße“, sagte Gerald. „Ich wurde geboren, nachdem Geraldine tot war. Ich trage ihren Namen und mein Vater sagt, ich sähe ihr auch sehr ähnlich. Da sollte ich wohl stolz drauf sein, aber es ist mir oft unheimlich. Du findest das sicher albern, weil du ganz andere Probleme hast, aber seit ich die Geschichte kenne – und ich kenne sie, seit ich ein kleines Kind bin – habe ich Angst, dass mir mal das Gleiche passieren könnte wie ihr.“
Das war sehr ehrlich. Scarlett sah, dass es ihn wirklich bedrückte und streckte unwillkürlich ihre Hand nach seiner aus.
„Ich kann ja auf dich aufpassen“, sagte sie und musste über ihre eigenen Worte lachen. „Ich bin viel gefährlicher als ein Halbvampir!“
„Du sagst es. Passen wir einfach gegenseitig auf uns auf, was hältst du davon?“
Sie saßen am Tisch in der Frühlingssonne, ihre Hand auf seiner, und es war wie ein Versprechen: dass sie aufeinander aufpassen würden, komme was wolle. Es war einer dieser Momente, in denen alle Dunkelheit aus Scarletts Gedanken verschwand.
„Du fragst dich sicher, wie mein Vater so reich geworden
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