Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
im Zimmer 773 erschienen. Von allen Beteiligten hatte er das Durcheinander am besten weggesteckt. Wahrscheinlich hatte er nicht mal mitbekommen, dass sein Bruder vernichtet worden war. Er wirkte jedenfalls so dickköpfig und zufrieden wie immer, wenn er genug zu fressen bekam und regelmäßig von Thuna gekrault wurde.
„Es ist wegen Pollux“, sagte Thuna. „In vier Tagen kommen die Leute vom Zoo, um ihn abzuholen. Ich werde ihn vielleicht nie wiedersehen. Deswegen hatte ich gedacht, dass wir zusammen ins Dorf gehen und uns von Herrn Polarello fotografieren lassen.“
„Zusammen mit Pollux?“, fragte Berry. „Das wird das größte Ereignis in Gürkel seit dem Spiel gegen Faulstadt!“
„Au ja, Thuna, das machen wir!“, rief Maria. „Aber Herr Polarello ist sehr teuer – ich habe noch drei Flöhe, die gebe ich dir. Sonst reicht dein Geld nicht!“
„Danke, Maria, aber ich kann es selbst bezahlen. Ich habe noch das Geld, das deine Eltern mir in den Ferien geschenkt haben. Und ich habe mein ganzes Taschengeld gespart.“
Maria runzelte die Stirn.
„Davon wolltest du dir doch was Schönes zum Anziehen kaufen?“
„Ach was, ich hol mir irgendwas aus der Sammelstelle. Das war bisher auch gut genug. Wenn du mir wirklich einen Gefallen tun willst, dann bezahlst du die Mietkutsche für Lissi! Ich fürchte nämlich, dass mein Geld dafür nicht reicht.“
Sie mussten alle zusammenlegen, um die Mietkutsche zu bezahlen, aber sie taten es gerne. Denn Lisandra war überglücklich, endlich mal wieder „aus der ollen Festung“ rauszukommen, und das Foto mit Pollux versprach eine aufregende und lustige Angelegenheit zu werden. Vor allem aber würde es Thuna über den großen Verlust hinwegtrösten, der nun unmittelbar bevorstand.
An dem Tag, bevor Pollux abgeholt werden sollte, war der Himmel strahlend blau. Die Bäume hatten fast alle Blätter verloren und am frühen Morgen sah die Landschaft strahlend weiß aus, weil sie überall von Raureif bedeckt war. Die Eiskristalle schmolzen in der Morgensonne und als die Mädchen am frühen Mittag mit Pollux aufbrachen, leuchtete die Landschaft in satten Farben. Selbst die Sümpfe zeigten sich in einem selten schönen Dunkelgrün.
Lisandra, Maria und Berry nahmen die Kutsche, während Thuna, Pollux und Scarlett zu Fuß gingen. Berry hatte ihren Besuch bei Herrn Polarello offiziell per Spiegelfon angekündigt, damit er nicht vor Schreck umfiel, wenn sie mit einem Löwen bei ihm aufkreuzten. Herr Polarello hatte sich dann noch mal bei Estephaga Glazard erkundigt, ob es sich auch nicht um einen Schülerstreich handele, worauf sie ihm versicherte, dass die Angelegenheit sehr wichtig und ernst zu nehmen sei. Herr Polarello versprach daraufhin, sein Bestes zu geben.
In der Tat erregten die Mädchen im Dorf großes Aufsehen. Thunas und Scarletts Gang zu Herr Polarellos Fotomaten-Studio glich einer Parade, denn sie mussten wegen Pollux auf der Mitte der Straße gehen und an den Rändern blieben die Leute stehen, um sich den geflügelten Löwen anzusehen, der wie ein Hund neben den Mädchen herlief, die er überragte.
Lisandra, Berry und Maria warteten schon beim Fotomaten-Studio. Es dauerte eine lustige und manchmal auch verzweifelte Stunde lang, bis Pollux dort saß, wo er sitzen sollte, und in die richtige Richtung guckte, genauso wie die Mädchen, die Herr Polarello um ihn herum gruppiert hatte und die es schafften, immer zu blinzeln oder zu zappeln, wenn der Bild-Einfang-Strahl abgeschossen wurde. Doch irgendwann passierte das Wunder und Herrn Polarello gelang das perfekte Foto: Pollux starrte wie ein riesengroßes Stofftier in die Kamera und fünf Mädchen lachten ins Bild, allen voran Thuna, die ihren Kopf an Pollux’ Mähne geschmiegt hatte.
Herr Polarello versprach, für jedes Mädchen einen Abzug zu entwickeln, und dann war das Abenteuer vorbei. Die Mädchen traten aus dem Fotomaten-Studio auf die sonnenhelle Straße und wurden auf einmal sehr traurig. Der Abschied von Pollux fiel allen schwer.
„Extrapost!“, schrie ein Junge, der Zeitungen verkaufte. „Extrapost! Grindgürtel tot! Extrapost!“
Der Junge erregte allgemeines Aufsehen, die Leute rannten fast zu ihm hin, um eine Zeitung zu ergattern. Maria lief los und schaffte es irgendwie, sich zwischen den Beinen und unter den Armen der Leute hindurchzuwinden und dem Jungen eine Zeitung abzukaufen, wobei sie ihre letzten Pfennige zusammenkratzen musste. Dann boxte sie sich wieder aus der Menge heraus
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